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Was Geht Bei / 22.09.2020

WAS GEHT BEI...Benjamin Kessenich? Prüfungsstress & Zielfischjagd

Normalerweise bin ich ja keiner der sich einen Fisch zum Ziel setzt, ich möchte sie am liebsten einfach alle fangen. Dieses Festbeißen an einem Gewässer für eben diesen einen Fisch, der es immer wieder aufs Neue schafft, deinem Hakenköder auszuweichen und dich langsam in den Wahnsinn treibt. Das war noch nie meine Art der Angelei, und darin wollte ich mich auch nie verlieren. Aber es kam wie es kommen musste, ein guter Freund schickte mir vergangenes Frühjahr eben dieses Bild, dieses eine Bild...

Darauf zu sehen war dieser alte urige Spiegler, wahrlich kein unbekanntes Tier in diesem See und auch ich hatte bereits Bekanntschaft mit ihm machen dürfen. Zwei Jahre zuvor, es war bereits Mitte November, lag er auf meiner Matte. Abgehakt könnte man meinen, und genau so habe ich es bis zu eben diesem Tag auch gesehen. Jedoch hatte dieser Fisch in den vergangenen zwei Jahren nochmal derart an Gewicht zugelegt, dass er sich beinahe von selbst wieder zurück auf meine „must have-Liste“ katapultierte. Ich wusste durch vorhergegangene Fänge anderer Angler bereits wo ich ihn zu meiner favorisierten Jahreszeit, dem Frühjahr, am besten beangeln können würde. Er fiel immer im gleichen Seeteil und das jedes Jahr zur nahezu gleichen Zeit. „Dieses eine Frühjahr“ dachte ich mir „nur dieses eine Frühjahr und dann ist Schluss“. 

Tja, nun schreiben wir jedoch das Jahr 2020 und in diesem Jahr ist nun mal wirklich alles etwas anders als die Jahre zuvor. Für mich zählte das sogar im doppelten Sinne. Die Abschlussprüfungen meines dualen Studiums standen an und fielen natürlich genau auf den Wonnemonat Mai. Was so viel bedeutete wie drei Tage je vier Stunden in bauphysikalischer Algebra geprüft zu werden, und das bei (Corona sei Dank) zuvor zweimonatigem Vorlesungsausfall, na Mahlzeit! Immer wieder hatte ich jegliche Angelpläne über Bord geworfen und mich meinem fischlosen Schicksal ergeben, es war einfach zu viel Stoff in zu kurzer Zeit der nachgeholt werden wollte. 

Rückwirkend muss ich sagen, dass ich heute wirklich nicht mehr weiß wie ich die folgenden Wochen vor mir selbst, meiner Frau oder auch meinen Kommilitonen in der Lerngemeinschaft gerechtfertigt habe, aber ich glaube ich habe noch nie so viel geangelt wie in dieser Zeit. Ich hatte ganze sechs Wochen Bildungsurlaub, welche auch wirklich bitter nötig waren, um all den Stoff ins Hirn zu bekommen. Einen Kugelschreiber, einen Taschenrechner, das Physikbuch und einen Block, mehr brauchte ich doch eigentlich nicht, dachte ich mir. Und allzu viel Platz würde das Zeug auf dem Trolley doch auch nicht wegnehmen, schoss es mir zeitgleich in den Sinn. Die Sache war geritzt, von Montag bis Freitag klingelte jeden Morgen um 5 Uhr der Wecker und ich fuhr meinem Zielfisch entgegen, die Wochenenden gehörten der Lerngemeinschaft. Am Wasser angekommen wurden erst einmal die Ruten gelegt und um die Rechenmaschine überhaupt ans Laufen zu bekommen, danach ein starker Kaffee gemacht.

Meine Regeln, die ich mir selbst in dieser Zeit auferlegt hatte, waren eisern. „Du hebst deinen Ar... nur vom Stuhl hoch, wenn a) die Hupe geht, oder b) der Kaffee wieder ans Tageslicht möchte. Zu meiner eigenen Verwunderung funktionierte diese Kombo aus angeln und lernen extrem gut und ich konnte nicht nur in Sachen Algebra Fortschritte erzielen. In den kommenden Wochen konnte ich immer wieder extrem produktive Momente abpassen und wahre Sternstunden erleben.

Auch wenn so manche gewichtige Rognerdame mir über den Kescher glitt, mein Zielfisch war bis hier hin noch nicht dabei. Nun hatten wir bereits Ende April und meine zuvor großzügig freigefütterten Krautlöcher in dem nur zwei Meter tiefen Wasser hatten sich bereits der grünen Macht ergeben. Einzig tischplattengroße Flächen konnte ich mit dem Eintrag von Partikeln eher schlecht als recht gegen das Kraut verteidigen. Am 13 Mai stand mein erster Prüfungstag an und somit hatte ich kaum mehr Zeit meinem Ziel auf die Schuppen zu fühlen. Ich entschloss mich nun, einige Angeltage aus zu lassen und dafür lieber wieder mehr Zeit in die Pflege des Platzes zu stecken.

Ein Blick in den Mondkalender verriet mir schnell, wann ich meine Angelei wieder starten sollte. Kurz vor dem finalen Lernwochenende am 7. Mai strahlte der Mond in seiner vollsten Pracht. Die zwei Tage zuvor und der Vollmondtag selbst sollten es werden. Wieder ging an diesem 5. Mai mein Wecker pünktlich um 5 Uhr morgens, knapp eine Stunde später durchschlugen meine Bleie die Oberfläche des Sees. Drei Tage Zeit, drei Tage, um vielleicht doch noch diesen lucky punch zu landen. Der Morgen begann schon stressiger als es mir in dieser Zeit lieb war. Kurz hintereinander konnte ich vier Fische fangen, die Arbeit der letzten Tage machte sich also bezahlt. Gegen Vormittag bekam ich einen weiteren Biss und ich merkte schnell die geringe Gegenwehr am anderen Ende. Noch bevor ich den Fisch zum ersten Mal zu Gesicht bekam, hörte ich bereits die Bremse der anderen Rute langsam Ticken.

Wer mich kennt, der weiß, ich bin nicht der größte Freund von Doppelruns. Sie sind chaotisch, stressig und überhaupt alles andere als cool. Erstrecht wenn du mitten im Kraut angelst und die Fische ohnehin nicht allzu viel Schnur bekommen dürfen. Der vermeintlich kleinere Fisch wurde blitzartig in die Maschen befördert, ohne genau hinzusehen. Der andere erwies sich nicht gerade als starker Kämpfer, eher als nasser Sack. Kurz vor dem Kescher erhob sich ein dicker Schädel aus dem Wasser und plumpste schon fast über den Kescherrand. Erst als ich mit der Wathose über dem Netz stand und dieses anhob bemerkte ich die fast perfekte Zeile meines ersten Fangs. Und erst der zweite Blick auf meinen weiteren Fang ließ es klar werden: Meine Zielfischjagt hatte ein Ende genommen!

Beste Grüße,

Benni

 

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