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Was Geht Bei / 29.09.2020

WAS GEHT BEI...Tammo Schiller? Willkommen in der Realität!

Ja, was geht bei mir? Gute Frage, kürzlich befand ich mich noch in dem Struggle, ob ich aufgeben oder dranbleiben sollte und heute bin ich ganz froh, einmal mehr mein Ding gemacht zu haben. Ich habe schon jetzt eine wirklich gute Saison hinter mir und gerade auch mit dem Hintergrund, in diesem Jahr Vater geworden zu sein, lief es wirklich gut. Ich konnte sogar den Babyeffekt mitnehmen und einen für unsere Region ganz besonderen Fisch fangen. Ich musste mich zwar an die neue Situation gewöhnen und mein Angeln anfangs krass umstellen, aber ich klage auf hohem Niveau, ich habe immerhin Elternzeit und das ein ganzes Jahr. Aber kommen wir zurück zum Thema, was geht bei mir.

Der Plan

Ich habe mich im Juli dazu entschlossen, einen etwas größeren See in meiner Umgebung zu befischen und dort den Herbst zu verbringen. Ich hatte bis dato woanders gut gefangen, aber ich kannte den See auch und brauchte jetzt wieder etwas, das mein inneres Feuer zum Brennen bringt, mich richtig antreibt und mein Angeln erfüllt. Was das ist? Wenige Angler, wenige Informationen und vor allem keine bekannten, großen Fische! Jeder hat seine Art des Angelns, während der eine gerne den 30kg Fisch mit Namen im Vereinssee jagt und der Andere gerne mit sechs weiteren Anglern chillig am Pool sitzt, suche ich das Gegenteil.

Ich verurteile kein anderes Vorgehen, bitte nicht falsch verstehen und auch ich sitze immer mal wieder am Vereinspool mit Anderen, aber richtig brennen tue ich dafür nicht, es treibt mich nicht an. Zumindest habe ich das Glück, hier und dort noch solche Gewässer finden zu können und auch wenn an dem See meiner Wahl immer mal wieder Karpfenangler zu finden sind, so erscheinen diese doch eher mal kurz auf der Bildfläche und sind dann wieder schnell und oft erfolglos verschwunden. Auch ich habe in der Vergangenheit hier immer mal wieder die Ruten ausgeworfen, aber eher sporadisch und ohne Vorplanung, habe aber sogar vereinzelt Fische gefangen. Über den Bestand habe ich nur Informationen von früher oder aus dem Bekanntenkreis, die aber alle keine realen Mutmaßungen zulassen. Die meisten Fische sollen Schuppis sein, die gab es dort mal in regelrechten Schwärmen. Was ich selber dort immer toll fand, waren die Ruhe und die große Wasserfläche.

Mit den paar Erinnerungen an das Gewässer habe ich mir innerlich schon Sternstunden im Kopf zusammen geträumt, ich brauche nur eine gute Stelle und dann über einen längeren Zeitraum ordentlich Futter, das hat hier noch niemand wirklich gemacht. Am Besten in Wurfentfernung, denn auch wenn ein Boot erlaubt ist, ich mag im dunklen, nassen Herbst das Angeln mit Werfen und Distance Sticks, das geht schnell und ist unkompliziert. Ich werde schön mit Waftern und Pop Ups am Heli fischen, das wird geil, da muss was gehen…

Wenn ich da schon gewusst hätte, was mich erwartet, ich hätte es gelassen!

Vorbereitung ist alles

Es ist Ende Juli und ich war den ganzen Tag mit dem Boot auf dem See unterwegs. Mit Echolot und Klopfblei bewaffnet, habe ich mir mehrere Stellen genau angesehen und ordentlich Meter gemacht. Wenn ich schon mal hier bin, dann bleibe ich auch eine kurze Nacht. Der erste Platz, den ich befischen möchte, ist neben einer Steganlage. Hier muss ich ab und zu mit Seglern rechnen, aber Corona-bedingt scheint nicht viel los zu sein, es sind nur wenige Boote auf ihrem Liegeplatz. Zwei Ruten kann ich von dort perfekt vor einem großen Schilfgürtel präsentieren, es gibt dort verschiedene Tiefen zur Auswahl und die dritte Rute werde ich mit dem Boot in eine kleine Bucht fahren und dort vor einem großen, im Wasser hängenden Busch ablegen. Einfach mal gucken, ob da was geht. Ich will einfach erstmal da sein, will das Wasser beobachten und kennenlernen.

Die Ruten werden wie geplant gelegt, dazu füttere ich eine Mischung aus Hanf, Tigernüssen, Pellets und Fischmehlboilies. Ich sitze im leichten Nieselregen auf der Liege und beobachte das Wasser, es dämmert schon leicht und ein einzelnes Piepen der weit entfernten Rute lässt mich kurz hochschrecken. Die Rutenspitze federt etwas, dann ist wieder Stille. In der nächsten Stunde wiederholt sich das ganze noch zwei Mal und ich vermute, durch den Hanf einige Weißfische auf dem Platz zu haben. Nachts um 1 Uhr das selbe Spiel auf den anderen beiden Ruten, einzelne Pieper und die Rutenspitzen wackeln kurz. Um halb 2 dann ein Fallbiss am Schilf, der Hänger fällt ruckartig nach unten und als ich an der Rute bin, tanzt dieser wieder Richtung Rutenblank. Meine Vermutung wird bestätigt und ich hake kurze Zeit später einen großen Brassen im seichten Wasser ab. Was mir sofort ins Auge fällt, ist der Wafter, von welchem nur noch ein Bruchteil übrig ist. Dieser ist nicht runtergelutscht, der hat Ecken und Kanten. Der See hat über Gräben Verbindung zur Weser und durch diese Gräben kommen die Wollhandkrabben, die gab es früher schon. Vorsichtshalber schrumpfe ich den neuen Wafter in Superwrap ein und kontrolliere die andere Schilfrute. Der Pop Up hat Macken, aber es hält sich in Grenzen. Beide Ruten fliegen wieder hinaus in die Dunkelheit, gefolgt von einigen Boilies. Am Morgen sitze ich schon um 5 Uhr auf dem Steg und schaue über die Wasseroberfläche, Nebelschwaden ziehen über den See. Fische kann ich leider keine lokalisieren, der See wirkt wie ausgestorben. Ich muss schon früh einpacken, Frau und Kind erwarten mich pünktlich Zuhause und außerdem wollte ich ursprünglich nur Location betreiben. An der dritten Ruten war übrigens kein Köder mehr, die Krabben hatten gute Arbeit geleistet, die sind echt früh dran hier am See. Die nächsten zwei Wochen fahre ich täglich an den See, um den Platz am Schilf zu füttern. Den Hanf lasse ich weg, es kommen nur noch Boilies und ein ganz paar Pellets und Tigernüsse ins Wasser. Ich kann es kaum erwarten wieder zu fischen.

Der Struggle ist real

Wir haben August und ich bin zurück am See. Die Sonne knallt vom Himmel, es sind knapp 30 Grad und das so ruhige Gewässer aus meinen Erinnerungen hat sich in den letzten Tagen regelrecht zu einem Badesee entwickelt. Überall liegen Menschen auf ihren Handtüchern und Decken, sogar im Naturschutzgebiet machen sie sich breit. Die Stadt scheint es zu dulden, anders kann ich es mir nicht vorstellen, das war hier früher nicht so. Natürlich ist eine Steganlage ein einladender Platz und so kommt es, das ich den Nachmittag zwischen Jägermeister trinkenden Dreizehnjährigen und etlichen Luftmatratzen verbringe. Die Ruhe durchbrechen einige Bluetoothboxen und zu guter letzt jagen noch ein paar Hunde durchs Wasser. Ans Fischen brauche ich jetzt und hier nicht zu denken. Meine Laune kann sich jeder vorstellen! Ich hoffe auf einen ruhigen Abend und eine angenehme Nacht, immerhin haben wir ja kein Wochenende. Inzwischen ist es nach 20 Uhr, die Horden sind abgezogen, ich habe gut gegessen und kann nun in aller Ruhe und penibel die Ruten verteilen. Ich bin wirklich gespannt, was das Futter gebracht hat und bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Es ist noch nicht einmal dunkel, da rauscht der Hänger im freien Fall runter, Fallbiss und ich sofort an der Rute. Ich kurbel um Kontakt aufzunehmen, doch der bleibt aus. Stattdessen kommt mir die schlaffe Schnur entgegen, an dessen Ende noch ein Stück ausgefranstes Leadcore hängt. Was war das? Abgekniffen? Das kann jetzt nicht wahr sein! Doch dabei bleibt es nicht! Ich muss bis zum nächsten Morgen feststellen, das mein Futter der letzten zwei Wochen von einer Armee Krabben geschreddert wurde und was dann noch übrig war, hat die Brassen an den Platz gelockt. Das Ergebnis der Nacht sind sieben große Brassen, etliche zerlegte Hakenköder, unbrauchbare, angekniffene Vorfächer und meine Nerven am Ende. Das habe ich so noch nicht erlebt! Selbst extraharte Hakenköder in Superwrap eingepackt werden auseinandergenommen, oder es wird das Haar gekappt! Danke, das reicht mir hier, ich suche mir eine andere Stelle und lasse zukünftig die Fischmehlboilies und Pellets zuhause!

Die nächsten zwei Wochen bin ich oft am Wasser, mache kurze Nächte unter der Woche, probiere verschiedene Stellen aus. Das Ergebnis ist immer das gleiche, keine Karpfen, dafür Krabben und Brassen ohne Ende. Wenn ich im Dunkeln die Kopflampe anschalte und am Ufer entlanglaufe ist das seichte Wasser voll mit Wollhandkrabben. Auf einen Blick zähle ich 10 Stück, bis zur Esstellergröße ist alles dabei! Der Struggle ist real! Was mache ich jetzt? Aufgeben? Ich bin ehrlich, ich hätte es am liebsten getan und wäre zum See um die Ecke gefahren, hätte da ein paar bekannte Fische gefangen, mit anderen abends gemütlich gequatscht und es einfach einfach gehabt. Warum nicht? Es ist nichts verwerfliches daran. Doch ich kann das nicht, es liegt nicht in meiner Natur. Ich will wissen, was so in diesem See schwimmt und wie der Bestand aufgebaut ist. Ich muss nochmal ne Schaufel drauflegen, raus aus meiner Komfortzone und das Wissen von früher mit den Erfahrungen von heute kombinieren. Ich habe hier ja schon Fische gefangen, vereinzelt vor Jahren!

Willkommen in der Realität

Jetzt haben wir Ende September und während ich das hier schreibe, sitze ich auf meiner Liege und blicke über den Nebelverdeckten See. Heute Nacht hat es noch geregnet und es ist kälter geworden, inzwischen liegt der Sommer hinter uns und das Wasser kühlt bereits ab. Aus dem bequemen Angeln in Wurfdistanz ist inzwischen Ablegen mit dem Boot geworden, ich sitze in einer völlig verwilderten Ecke, nur vom Wasser erreichbar und die Ruten liegen auf 350 Meter Entfernung an einem großen Plateau.

Gegen die Krabben kämpfe ich noch immer an, es müssen tausende sein und seit letzter Nacht probiere ich unsere Baitcontainer, in denen der Köder komplett verpackt ist. Einen hat man mir letzte Nacht schon geklaut, das Haar wurde gekappt, aber ansonsten scheint es zu funktionieren. Seit drei Wochen habe ich auch Fische gefunden, kleine Schuppenkarpfen dominieren ganz klar, aber ab und zu ist mal ein Besserer dabei, oder so wie letzte Woche ein toller, vollbeschuppter Spiegler, ein echter Beauty. Heute Nacht hatte ich zwischen halb zwei und halb fünf insgesamt 6 Läufe, alles kleine Schuppis knapp über der 20 Pfund Marke und nach jedem Fisch durfte ich die 350 Meter zum Spot hin und 350 Meter wieder zurück fahren. Immerhin über 3,5 km bei denen mir der Wind den Regen ins Gesicht peitschte und ich glaube, meine Wathose hat auch schon wieder ein Loch.

Geschlafen habe ich die Nacht kaum und eben gerade ist wieder eine Rute abgelaufen, die muss ich gleich noch neu fahren, aber erstmal gönne ich mir einen Kaffee. Ich muss an die letzten zwei Wochen denken, jeden zweiten Abend komme ich her, baue mein zu großes Schlauchboot auf, fahre zu den Plätzen und füttere. Dann geht es wieder in die Heimat und das alles für Zwanzigpfünder und ab und zu mal einen „Größeren“, der in anderen Teilen Deutschlands verständlicherweise noch immer als Klein betitelt werden würde. Aber ich grinse bei dem Gedanken daran und auch wenn mancher den Aufwand für „kleine Fische“ für verrückt halten würde, mir ist es egal, mich treibt es an. Also nicht die Fischgröße, auch ich fange gerne große Fische, nein es ist das ganze drumherum, das treibt mich an. Aus dem anfänglichen Plan ist mal so gar nichts geworden, alles musste ich anders machen und definitiv ist das hier auch nicht mehr meine Komfortzone, aber es läuft und ich glaube, ich bekomme einen Dreh rein. Außerdem weiß ich nicht, was hier schwimmt, das macht es für mich besonders. Hier habe ich meine Ruhe, muss mich der Natur anpassen, einzig mit den Kühen teile ich mir jetzt noch das Ufer, fühle mich frei und zufrieden. Das ist es, was ich mag und ich freue mich schon auf den Spätherbst!

Wobei… Ich darf es gar nicht sagen, ich kann im besten Monat des Herbstes nicht füttern fahren und zum Fischen komme ich wahrscheinlich auch nicht. Zumindest nicht mit dem Auto, denn letzten Monat kam ein Schreiben vom Landkreis, zu schnell gefahren, Führerschein für einen Monat abgeben! Und das im November, aber selber Schuld!

So, das geht aktuell bei mir! Das ist es gewesen! Für den Einen nichts Besonderes, für den Anderen etwas verrückt, aber jedenfalls real und ehrlich! Euch allen einen tollen Herbst!

 

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