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Life on the Road / 22.04.2020

LIFE ON THE ROAD - im Fokus der Linse

Die Corona-Krise hat uns in UK fest im Griff! Meine geplanten Trips auf den Kontinent musste ich alle canceln - schweren Herzens. Sicher erging es euch da kaum besser mit euren Touren, oder? Jedenfalls musste ich meine großen Pläne über den Haufen werfen, euch hier schon an meinen ersten Frühlings-Sessions teilhaben zu lassen. Stattdessen nehme ich euch mit in meine Heimat und in den vergangenen Sommer. Es wird wieder taktisch und technisch, vor allem aber so richtzig carpy. 

Von geschmiedeten Plänen

Sommer 2019. Die Sonne hatte Monat um endlosen Monat herunter gebrannt. Zumindest schien es so. Abgesehen von meinen Guidings an überfüllten Tageskartengewässern hatte ich im Vereinigten Königreich schon seit einigen Jahren keinen Köder mehr mit irgendeinem klaren Ziel oder Hintergedanken ins Wasser befördert – all meine Energie beim Angeln konzentrierte sich auf meine Trips auf den Kontinent. Eines Tages hatte ich einen Anruf der Jungs von „Thinking Anglers“ erhalten, sie wollten gemeinsam mit mir einen Film drehen. Dan hatte die Idee gehabt, diesen an einem See namens Farnham Flint zu filmen, einem eng in die Szene rund um Reading eingeflochtenen Gewässer zwischen Burghfield und Englefield. Nur ein schmaler Pfad und ein kleines Sträßchen trennen diesen See von einem, der das Zuhause von zwei der begehrtesten Karpfen in der UK darstellt. Dort geben sich die Vollzeit-Angler die Klinke in die Hand und arbeiten mit jener Intensität Woche um Woche an ihrer Angelei, die die dünn besetzten und schwierig zu befischenden Gewässer des Königreichs erfordert. Der Flint hingegen ist ein Clubgewässer, der jedem offen steht, der ein Ticket will. So unterliegt dieser See ganzjährig einem extrem hohen Angeldruck. Zusätzlich gibt es noch ein paar sehr auf Protektion bedachte Locals, was den Gedanken eines Filmdrehs natürlich mit Nervosität würzte. Der Verein selbst ist jedoch zu Überlebenszwecken auf Mitglieder angewiesen und so waren sie ganz scharf darauf, dass wir dort drehten. Die Hoffnung lag darin, einen einzigen Biss zu bekommen, einen schönen Fisch zu fangen und so einen außergewöhnlichen Film zu erschaffen. Das war kein leichtes Unterfangen, im Gegensatz zu vielen der Gewässer, an welchen hier in der UK sonst gedreht wird. 

Ein holpriger Start

Ich muss zugeben, dass ich mich, sobald die Zeit näher rückte, nicht wirklich auf den Dreh freute. Ich hatte fast das ganze Jahr damit verbracht, mein Echolot zu verwenden und 10-Unzen-Bleie vom Boot abzulassen, das hier würde also ein Schock für mein inneres System sein. Bereits früh kam ich am Wasser an, in der Hoffnung, den ein- oder anderen Fisch zu sehen und um mich etwas zu akklimatisieren, bevor die Kameras eintreffen sollten. Der Flint ist DAS klassische britische Gewässer, die Quintessenz einer Kiesgrube. Alte Bäume umsäumen seine Ufer, große Hindernisse liegen vor den Inseln und riesige Teppiche dichten Krauts bedecken große Teile seiner Oberfläche, nur hier und da lugt ein wenig Blau dazwischen hervor. Es dauerte gar nicht lange, bis ich Fische ausmachen konnte. Am unteren Ende des Sees, in einem der größeren krautfreien Areale zwischen den beiden „Mutterschiffen“ von Krautfeldern konnte ich Fische steigen und rollen sehen. Ganze Bahnen und Felder von Bläschen bedeckten die Zone und zeugten von einigen fressenden Karpfen. Allerdings wusste ich auch, dass Nigel Sharp hier über die letzten Wochen gefischt hatte und dass er heute wieder hierher kommen würde. Als englischer Gentleman verließ ich also das Gebiet und ging weiter. Nachdem ich meinen Weg durch Dornengestrüpp und üppige Sommervegetation fortgesetzt hatte, fand ich tatsächlich noch weitere Fische, die im Kraut Bläschen und Bewegungen erzeugten. Zu diesem Zeitpunkt kamen Rich und Dan an und nach einem Kaffee begannen wir den Tag damit, ein paar Szenen im frühen Morgenlicht zu filmen. Ich entschied mich dazu, die Beißphase abzuwarten und den Fischen besser keine Bleie auf die Köpfe zu werfen, nur um den Untergrund abzutasten. Als ich anfing, fand ich schnell heraus, dass das Kraut sehr dicht war. Auch weitere ein bis zwei Stunden des Herumwerfens produzierten keinen Spot, auf dem ich mein Rig sauber hätte platzieren können, außerdem war das Blei an kaum einer Stelle hart aufgekommen. Da ich nicht nur hoffend und auf Verdacht hin hinter ein paar Choddys sitzen wollte, kehrte ich dem Areal komplett den Rücken und ging an eine andere Stelle, an der ich im ersten Morgenlicht Fische gesehen hatte.

Planänderung

Der Tag rauschte voran und nachdem viel zusätzliche Zeit verstrichen war, die benötigt wurde um die ganzen Sequenzen in den Kasten zu bringen, war es schon spät, bis ich die Ruten zum Auswurf startklar machen konnte. Ich war eigentlich in der Absicht hergekommen, auf kurze Distanzen zu fischen, hatte meine Spulen mit Flurocarbonschnur befüllt. Nun musste ich zunächst meine Ruten und Rollen gegen ein Setup tauschen, das es mir erlaubte, an diesem Platz, der nicht ohne Grund den Namen „Der weite Wurf“ trägt, über die 100-Yard-Marke zu werfen. Den Spot selbst kannte ich vom Hörensagen und aus Geschichten befreundeter Angler. Er liegt nahe bei einem Seil, das die äußere Begrenzung des beangelbaren Areals markiert und dort findet sich die perfekte Kiesstelle. Sie misst ungefähr die Größe von zwei bis drei Abhakmatten und ist umgeben von üppig wachsendem, dichtem Kraut. Der Rest des Areals wies im Prinzip keinerlei weitere Stellen auf. So entschied ich mich dazu, zwei Ruten auf Distanz und die dritte auf einem kleinen, sauberen Streifen in der Nähe eines Hindernisses zu meiner Linken abzulegen. Bei einer der weiten Ruten legte ich eine ausbalancierte Tigernuss direkt in die Mitte des Kiesspots, die zweite bestückte ich mit einem niedrig auftreibenden Pop Up und warf sie so nahe wie möglich an den Rand der freien Fläche. Anschließend senkte ich die Schnüre so gerade und tief ab, wie es der immense Bewuchs zuließ und fütterte danach zwölf Spombs darüber, die ich so dicht wie auf die Entfernung möglich platzierte. 

Den Abend beschlossen wir mit dem Festhalten der Abendstimmung mit der Kamera und machten uns für die Nacht bereit. Aber abgesehen vom unablässigen Surren und Stechen der Schnaken blieb alles ruhig. 

Die Dramen des ersten Morgens

Kurz vor dem ersten Tageslicht hatte ich zwei Piepser, einen nach unten, dann wieder einen nach oben. Da die Schnur gestrafft war, kam mir das komisch vor, aber ich beließ es dabei. Den Morgen über lag Anspannung in der Luft, denn große Felder kleiner Bläschen überzogen den ganzen Bereich über zwei bis drei Stunden lang und ein Fisch dümpelte sogar gemächlich direkt über dem Spot. Dass ich noch keinen Biss bekommen hatte, fiel mir schwer zu glauben. Erst als ich die Ruten einkurbelte, realisierte ich, dass die einzelnen Signale am frühen Morgen ein Biss gewesen waren. Der Fisch war an der gestrafften Schnur auf mich zu geschwommen, direkt ins Kraut. Das Rig lag nun weit abseits des Spots und war tief und fest im Bewuchs eingebettet. So musste ich es im Endeffekt mit einem Boot befreien. Ich leckte meine Wunden, sprach meine Ausreden in die Kamera und wir filmten einige Morgen-Sequenzen. Dabei beließ ich es, bis gegen Abend der Wind abgeflaut war und erst dann legte ich die Ruten erneut. Dazu fütterte ich einen weiteren kleinen Eimer zerkrümelter sowie ganzer Krill Boilies, Hanf und Tigernüsse. Die Mischung hatte ich mit GLM und Salz glasiert – eine bewährte Sommer-Kombi!

Ergebnis am zweiten Morgen!

Am nächsten Morgen hatte ich zwei fantastische Spiegler in den Säcken, die dort auf die Kameras warteten. Beide Distanzruten waren binnen zwanzig Minuten vor dem ersten Tageslicht losgerattert und erstaunlicherweise hatte der erste Biss die andere Schnur nicht mit eingesammelt. Sobald der Tag anbrach, brachte ich ein Rig mit einem sauberen Wurf zurück auf den Spot, lehnte mich zurück und begann, meinen Organismus mit ein paar starken Kaffees auf Touren zu bringen. Als die Kameras auf- und eingestellt waren und das Licht perfekt war, lichteten wir beide Fische ab. Der erste war ein unglaublicher alter, beschuppter Spiegler von 30 Pfund, mit kastanienbraunen Seiten und einer großen Schuppenzeile. Allein dieser Fisch hätte diesen Film zum Erfolg gemacht, aber der zweite sollte das Ganze noch toppen. Dies war einer der größten Spiegler  des Sees, ein alter Charakterfisch knapp unterhalb der 40-Pfund-Marke. Es fühlte sich wunderbar an, ihn an diesem Sommermorgen auf die Matte zu legen, denn es war mein erster richtig guter Fisch im Vereinigten Königreich seit einer langen Zeit.

Die wiederausgebrachte Rute brachte mir im weiteren Verlauf des Morgens einen hübschen, schwarzen, kleinen und ziemlich wütenden Schuppenkarpfen für die Kameras und über den restlichen Tag hinweg filmten wir ein paar Rigsequenzen und Dialoge unter der Sommersonne. Ein paar Freunde trafen auf einen Tee ein und es fühlte sich gut an, sich wieder einmal für einige Tage im vertrauten Umfeld der UK zu befinden. Geschichten über den Burghfield und Englefield wurden ausgetauscht, Erzählungen von ein paar mitternächtlichen Fütteraktionen um 200-300 Kilo in der Mitte des Sees auszubringen… aber pssssst.

Er ist fertig

Der Film war abgedreht, drei Karpfen und jede Menge an Zusatzmaterial waren im Kasten und ein herrlicher letzter Abend brach an. Ich war entspannt und nun war es vollkommen gleich, was passierte.  Dan lud uns zu einem üppigen indischen Abendessen in alter britischer Manier ein, das an den See gebracht wurde. Und so saßen wir da, nahmen die Atmosphäre des ruhigen Sommerabends in uns auf und tranken ein paar Biere, während Rich noch ein paar letzte Landschafts- und Drohnenaufnahmen machte, als die Sonne hinter die Bäume sank und alles in oranges Licht hüllte. 

Die Ruten wurden dennoch exakt geworfen, genauso wie in der Nacht zuvor. Und nachdem ich 30 oder mehr Moskitos vom inneren meines Zeltnetzes entfernt und überall Blutspuren hinterlassen hatte, legte ich mich für eine erholsame Nacht hin. Ich war unglaublich zufrieden, denn wir hatten einige tolle Sachen gefilmt und es war mir sogar gelungen, einen Großfisch zu fangen. 

Märchenhaftes Ende

Erneut lief vor dem ersten Tageslicht eine der Distanzruten ab. Die Schnur straffte sich, löste sich auf dem Clip und nur ein bis zwei Klicks waren an der geschlossenen Bremse vernehmbar. Schnell nahm ich sie auf, spürte die Schläge und hoffte, dass der Fisch drehen würde. Ich rief nach Dan und innerhalb von Minuten liefen die Kameras. Diesmal zog mein Gegner nach links und sammelte die andere weite Rute ein. Ich öffnete den Rollenbügel, beließ die Rute aber auf der Ablage und hoffte darauf, dass sie keine allzu großen Probleme bereiten würde. Zehn Minuten später saß alles fest, die Schnur der zweiten Rute hing bombensicher im Kraut und ließ nicht zu, dass ich weiterdrillen konnte. Ich hielt Kontakt zum Fisch, während Dan zu Nigel ging um ihn und sein kleines Boot zu holen. Weitere zehn Minuten später war es aufgeblasen und ich darin, glitt über das kristallklare Wasser dahin, wo der Fisch träge vor sich hin dümpelte. Nur kurze Zeit später wusste ich bereits, wer da am Ende der Schnur schwamm, denn die Zweifarbigkeit ließ keinen Zweifel: Das war der größte Spiegler des Sees, der bei seinem letzten Fang knapp unter 47 Pfund gewogen hatte!

Die Kamera fixierte mich – zusätzlichen Druck ausübend – durch ein langes Objektiv und  ich wollte diesen Fisch wirklich… WIRKLICH im Kescher haben. Weitere zwanzig Minuten der Verzweiflung vergingen, denn der Karpfen zog von einem Krautfeld zum nächsten. Dabei wurde die andere Schnur wie ein Spinnennetz mitgezogen, was den direkten Kontakt unglaublich mühsam gestaltete. So wurde es wahnsinnig anstrengend, meine Beute auf dem kleinen aufblasbaren Boot in den Kescher zu manövrieren. Am Ende jedoch gab sie sich geschlagen und ich schrie einen lauten Ausdruck der Erleichterung gen Himmel, als sie endlich im Netz war. Im Film wirkt es so, als sei alles sehr zügig vorgegangen, aber vom Biss bis zum Keschern verging rund eine Stunde. 

Wir legten das prächtige Tier auf das taunasse Gras hinter dem Angelplatz und filmten. Ein perfekteres Ende für diese Session hätte man sich nicht ausdenken können und das einzig richtige danach war, in den Pub zu gehen! Drei Nächte filmen, zwei der größten Spiegler des Sees bei meiner ersten Session an einem umtriebigen Gewässer in der UK – das war einfach unvorstellbar!

Hier ist der Film zu diesem Beitrag:

Das Pop Up Rig meines Vertrauens 

Während des Films benutzte ich zwei verschiedene Rigs, mein bewährtes „Soft Boomed Hinge“ Rig und ein einfaches Setup für ausbalancierte Tigernüsse. Da der Spot sehr klein, auf weiter Distanz und relativ flach war, war es schwierig, die beiden Ruten auf dem saubersten Kies abzulegen, ohne dass sie allzu nahe beieinander lagen. Ich beschloss, die ausbalancierten Tigers direkt in der Mitte und das Hinge mit einem Pop Up so nahe am Rand des krautfreien Punkts zu fischen, wie irgend möglich. Ich entschied mich für einen Pop Up, da ich hoffte, dass dieser auch dann perfekt präsentiert sein würde, wenn das Rig am Rand des Areals in den Bereich der Pflanzen käme. Beide Montagen brachten die großen Spiegler der Session und sie bewiesen ihren Wert auch im dichten Kraut und unter schwierigen Bedingungen durch perfekten Hakensitz. 

Und so bindet ihr meine geliebte Pop Up-Präsentation nach, die Anleitung findet ihr in den Bildunterschriften:

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