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Life on the Road / 13.03.2020

LIFE ON THE ROAD - zerplatzte Träume und der Geburtstagsfisch

In dieser Kolumne berichte ich dir von einer letzten Spätherbst-Tour, bei der wir einfach mal schlecht angelten und viel lernten. Und von meinem 40. Geburtstag im Februar, den ich zusammen mit meiner Frau aus dem Van angelte - wieder in Frankreich.

Der November Blues

Zum Ende meines letzten Blogeintrags sprach ich über einen schwierigen Trip im Spätherbst. Angefeuert von den Ergebnissen unseres Oktobertrips und den unglaublich großen Karpfen, die unsere Freunde Tinpot und Damo hatten fangen können, beschlossen wir, noch eine letzte größere Tour zu planen, bevor der Winter so richtig einschlagen würde. Zusätzlich sollte dieser Trip gefilmt werden, wodurch der Druck nicht gerade kleiner wurde. Das Wetter war noch nicht dramatisch gekippt, also nahmen wir an, dass noch die Chance bestünde, den ein- oder anderen Dickfisch im 800 Acres großen Reservoir zu fangen. Die Tiefe des Sees sollte außerdem genügend Wärme gespeichert haben, um die Fische in Fresslaune zu halten. Hinzu kam, dass wir uns in Richtung Vollmondphase bewegten, also fuhren wir voller Zuversicht los. In dieser Woche jedoch, fielen die Temperaturen auf minus 4 Grad Celsius, tagsüber waren wir in gefrierenden Nebel gehüllt, der das Tal in eine surreale Kulisse verwandelte. Im Nachhinein betrachtet, hätten wir wohl auf ein Gewässer weiter südlich setzen sollen, wo das Wetter noch besser war. Aber trotz der Kälte hatten wir noch immer das Gefühl, dass ein großer Fisch machbar war. Wir hatten die Gelegenheit, gleich am ersten Tag einen wirklich schönen Karpfen für unseren Kumpel Chris zu fotografieren und zusätzlich griff Marcus einen 41lb-Schuppi ab, gerade einmal zwei Stunden, nachdem die Ruten lagen. Doch danach ging es nur noch bergab: Sechs Tage und Nächte unter kalten, unwirtlichen Bedingungen mit kaum Piepsern, außer von Brassen und Hechtanglern. 

Johnny zeigt uns, wie es geht!

Während wir da so saßen, verzweifelt gegen die Horden von Hechtanglern in regelrechten Flotten von Booten ankämpfend, hatten wir noch immer den Gedanken im Kopf, dass das Ende der Barrage der Place to be wäre. Und das, obwohl sich weder Karpfen noch ihre Anzeichen dort zeigten. Wir schoben das auf die Bedingungen, aber im Rückblick liegt es klar auf der Hand: Der Großteil des Besatzes hatte vom Angeldruck dieses Bereichs im Herbst schließlich genug gehabt und war den See hinauf gezogen. Zwei coole niederländische Jungs, mit denen wir uns angefreundet hatten, kamen uns gegen Ende unserer Tour besuchen. Sie hatten gegenüber von uns an der Barrage angefangen und waren dann, als nichts passierte, weiter in Richtung Seemitte gezogen. Mit vier, fünf und sechs Fischen pro Nacht bis zu 50lb bei den beiden war offensichtlich, dass wir einen fatalen Fehler begangen hatten. Wir hatten hoffnungsvoll ausgeharrt, anstatt der Intuition zu folgen, dass etwas nicht mehr stimmte und dass die Fische weitergezogen waren. 

Das war eine bittere Medizin, die wir da am letzten Morgen schlucken mussten, während wir unter eisigen Bedingungen zentimeterdicken Schlamm vom Boden unserer verkrusteten Boote kratzten. Aber es war nun einmal so: Johnny und sein Freund hatten sehr gut geangelt, viel besser als wir. Und eines war klar: Diesen Fehler würden wir so schnell nicht wieder begehen!

Operativer Eingriff

Dies sollte mein letzter Trip für einige Zeit werden, denn ich hatte einen medizinischen Eingriff an einer alten Knieverletzung vor mir. Diese war leider wieder zum Vorschein gekommen, als mich Lewis Read von Gardner Tackle letzten Februar durch die Messehalle von Zwolle gejagt hatte. 19 Jahre intensives Rad- und Rennradfahren, Surfen sowie Skaten und ich schaffe es, dass ich mich wieder verletzte, während ich von Lewis Read gejagt werde…

Die Operation war nix Kompliziertes: ein chirurgischer Mikroeingriff am Kreuzband. Sie bedeutete aber, dass ich für eine längere Zeit nicht auf die Füße konnte, ans Sofa gefesselt war und dass das Beangeln größerer Gewässer sowie Waten durch knöcheltiefen Schlamm für mehrere Monate keine gute Idee waren. Nachdem ich ein Jahr lang hart am Angeln und Filmen gewesen war, musste ich ohnehin einen Riesenstapel Zeug abarbeiten. Ein Knie wie einen Ballon zu haben, gab mir also die Möglichkeit, mich endlich hinter meinen Mac zu klemmen und alles aufzuholen. 

Okay, ein paar wenige Tage gelang es mir, sobald ich wieder gehen konnte, mich tagsüber an den wunderschönen River Test zu schleichen um dort auf Rotaugen, Äschen und Haseln zu fischen. Die kleinen Stickfloats, Haken der Größe 22 und einzelne Maden fühlten sich irrwitzig klein und zierlich an, nachdem ich den Herbst über 10-Unzen-Bleie und 22mm-Hakenköder vom Boot abgelassen hatte. Aber ich war schon immer der Meinung, dass die Vielfalt in der Angelei zählt und man sich immer wieder den verschiedensten Herausforderungen stellen muss, um zu wachsen. Es gibt in meinen Augen nichts schlimmeres, als Woche um Woche am selben See zu sitzen, seine Köder auf die gleichen Spots auszubringen und dann auf den immer gleichen Karpfen zu warten.

Meilenstein am Geburstag

Während der Februar langsam ins Land zog hatte ich wirklich genug davon, hinter meinem Mac festzusitzen und langsam begann das Kribbeln in den Fingerspitzen. Mein Knie war wieder auf die normale Größe zusammengeschrumpft und hatte nicht mehr die Ausmaße einer geschwollenen, schmerzenden Tüte voll Fett, also lag endlich wieder die Option auf dem Tisch, an ein großes Wasser zu fahren. Mein 40. Geburtstag stand dieses Jahr an, eigentlich ein absoluter Meilenstein unter den Geburtstagen. Um ehrlich zu sein, gebe ich auf Geburtstage aber nicht allzu viel, vor allem nicht auf meine eigenen. Ich bin auch nicht der wahnsinnige Partyhengst. Und da mir die Gefahr eines seelischen Zusammenbruchs – angesichts der fürchterlichen Vorstellung, tatsächlich schon 40 zu werden – an eben diesem Tag zu groß erschien, belud ich meinen Van, schnappte mir meine Frau Sarah, ein paar Ruten, das Boot und ein paar große Tüten Boilies und schon waren wir unterwegs gen Frankreich, um der Misere zu entgehen. 

Alpine Luft

Nach der üblichen Fahrt von 12 bis 14 Stunden kamen wir wieder einmal sehr spät an, legten uns für die Nacht schlafen und starteten frisch und ausgeruht in den nächsten Tag. Wir wachten vor schneebedeckten Berggipfeln in der schönsten Morgenluft auf, die man sich nur denken kann. Vorab hatte ich Sarah versprochen, dass alleine die Szenerie die Reise wert sein würde, also wurden wir beide nicht enttäuscht. Den Tag verbrachten wir damit, die ganze Gegend auf einer Wanderung zu erkunden und ich investierte auch einiges an Zeit, mit dem Boot nach geeigneten Spots und Karpfen Ausschau zu halten. Nachdem ich weder Fische noch verdächtige Signale auf dem Echolot erblicken hatte können, entschied ich letzten Endes, dass wir uns an einem zentralen Seeteil niederlassen sollten, von dem aus ich jede Menge Wasserfläche abdecken können würde. Zusätzlich gab es einige erfolgsversprechende Features: Eine tiefe, schlammige Senke und einige kiesige Strukturen am Rand eines alten Flussbetts, das ich ausmachen hatte können; all das kurz vor einer Sperrzone.  Nachdem wir einen gemütlichen Tag mit Ruten montieren und der Zubereitung leckeren Essens verbracht hatten, legte ich abends alle drei Ruten direkt bei den jeweiligen Markern ab und fütterte wenige zerkleinerte Boilies und Tigernüsse, Mais und ein paar einzelne ganze Boilies, die ich lose verteilte. Das Wasser war noch immer kalt und die Schneeschmelze speiste an verschiedenen Punkten weiteres ein, also wollte ich es langsam angehen lassen. Nach drei kräftigen Schnurschwimmern in dieser Nacht war ich auch noch immer guter Dinge und wollte am Abend an diesen Spot zurückkehren, während ich unsere Sachen packte, um den Tag mit Sarah in der Stadt zu verbringen. Die zweite Nacht am gleichen Platz verlief jedoch komplett ruhig und so entschied ich mich – nach einem weiteren Tag des Herumtreibens mit meiner Frau – dazu, in der dritten Nacht ein anderes Areal zu befischen. Letzteres sollte dann auch schon wieder verlassen werden, sobald ich nicht ein paar Anzeichen von Fischen sehen würde. Ich fischte in dieser Nacht vor einem großen Hindernis, einer weiteren vielversprechenden Unterwasserstruktur und eine Rute erneut in einer lehmigen Senke – ohne einen einzigen Piepser! Also zogen wir abends, nachdem wir den Tag erneut in der Stadt verbracht hatten, in Richtung Süden in wärmere Gefilde. Die sechsstündige Fahrt westwärts brachte uns ins Lot-Tal, um dort die letzten paar Nächte zu verbringen.

Ein langer Weg zum kleinen Schupper

Ich kannte einen hübschen Platz an einer abgesperrten Sektion des Lot, der zu unserem Trip passen würde. Denn weil wir aus dem Van heraus fischten, waren nur Stellen möglich, die wir direkt anfahren konnten. Aber da diese Tour sich nicht nur ums Angeln drehte, ich aber trotzdem endlich einen Biss bekommen wollte, nahm ich das in Kauf. Nachdem wir nach Mitternacht angekommen waren, stellten wir enttäuscht fest, dass unsere auserkorene Stelle belegt war, ebenso die zweite. Mein Plan löste sich gerade vor meinen Augen in Luft auf. Glücklicherweise war ein weiteres Areal, das ich auf dem Schirm hatte, noch frei, also parkten wir den Van und schauten uns die Sache etwas genauer an. Alles sah prima aus, die perfekte Stelle für ein paar Nächte. Sogar reichlich angeschwemmtes Holz stand für ein gemütliches Feuer zur Verfügung, also begannen wir mit dem Auspacken. In der ersten Nacht herrschte Totenstille, aber das Wasser fiel ganze zwei Meter. Hätte ich an meiner ersten erhofften Stelle gefischt, wären meine Rigs am Morgen auf dem Trockenen gelegen und die Chance des Bisses einer Möwe oder eines Kaninchens wäre wahrscheinlicher gewesen als der eines Karpfens! Wie sich herausstellen sollte, war die Spotwahl in diesem Fall perfekt gewesen, denn so, wie ich es schon oft vorher gesehen hatte, zogen sich die Karpfen in tieferes Wasser zurück, sobald der Wasserpegel sank: Und dieses tiefere Wasser hatte ich nun direkt vor mir. 

Zwei Bisse in der zweiten Nacht brachten einen kleinen Schupper und ich verlor einen Fisch, der sich wesentlich größer anfühlte. Aber all das spielte keine Rolle, denn wir hatten ein prasselndes Feuer, feierten meinen Geburtstag, kochten leckeres, frisches Essen, tranken etwas und betrachteten stundenlang den von Sternen erleuchteten Nachthimmel. Echte Freiheit – und eine Zuflucht. 

Ein letzter verzweifelter Versuch

Obwohl es sich ja genau genommen nicht um einen „echten“ Angeltrip handelte, war es doch eine verdammt lange Fahrt gewesen für einen 15-pfündigen Schupper, also harrte ich noch für einen letzten verzweifelten Treffer auf einen Dickfisch aus. 

Als ich die Ruten für die letzte Nacht startklar machte, kamen gerade noch ein paar Last-Minute Raubfischangler in ihrem Boot über den See gezogen und fingen an, in der Nähe meiner Distanzrute zu Jiggen. Ich fuhr im Boot hinaus und fragte sie in meinem besten Französisch, ob es okay wäre, wenn ich hier mein Rig abließe und ob sie eventuell versuchen könnten, die Schnur nicht einzufangen. Sie waren überaus höflich und nach einem kurzen Plausch legte ich meine Rute mit einem spürbaren Klopfen auf eine kleine Sandzunge in acht Metern Tiefe, die von zehn bis zwölf Meter tief liegendem Schlamm umgeben war. Es war tiefer, als ich das gerne haben wollte, aber ich wusste, dass dieses Areal gut war. Als der Biss dann kam, war ich schnurstracks im Boot und wurde von etwas herumgezogen, das ganz klar kein 15-Pfünder war. Dankenswerterweise hielt der Fisch sich diesmal von dem unter Wasser liegenden Baum fern und als die Flanke eines großen Schuppers die Oberfläche durchbrach und dieser Wasser spuckte, schob ich den Kescher mit der wohl größten Freude unter ihn, die ich jemals empfunden hatte. Er war ganz knapp über 40 Pfund schwer und stellte somit das märchenhafteste Ende des Trips dar, das man sich nur vorstellen konnte. Eine wahre Schönheit, keine Hakenspuren im Maul, mit einem blinden Auge, einer langen Schwanzflosse und ein paar leicht versetzten Schuppen. Wie alle Flusskarpfen trug er die Zeugnisse eines harten Lebens zur Schau. Ich fing keine Giganten und keine überragende Anzahl von Fischen. Dennoch war es ein Abenteuer, auch für Sarah – ihre ersten Erfahrungen an einem öffentlichen französischen Gewässer. Frühling, zieh ins Land! Ich bin bereit für wärmere Temperaturen und noch viel mehr Abenteuer an den großen Wassern! Vielen Dank Euch fürs Lesen und bis zum nächsten Mal. 

Gaz

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