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+ Stories / 18.05.2020

Von Glück und Unglück #3 - das Carplifer-Pärchen auf einem Roadtrip

Claire und ich sind – aufgrund eines Irrtums, die Tollwut-Spritze unserer Hündin betreffend – noch immer in Frankreich gestrandet. Die meisten Menschen mögen sich nun denken, dass das ein positiver Wink des Schicksals sei, in Wirklichkeit war aber das Gegenteil der Fall. Wir hatten kein Essen, kein Wasser, kein Futter, nur noch einen Satz Wechselklamotten, eine überaus dezimierte Tacklebox und darüber hinaus noch einige richtig wichtige Termine im Vereinigten Königreich. Unsere Möglichkeiten waren also für die kommenden drei Wochen mehr als eingeschränkt. 

Nach einem Rundruf bei allen Kontakten, über die wir in Frankreich verfügten, kam uns unser guter Freund Mick Murry zur Hilfe. Da er eine zweiwöchige Session am Lac du Der fischte, lud er uns ein, uns während seiner Abwesenheit in seinem Haus in Frankreich breit zu machen, uns zu sammeln und neue Pläne für die nahe Zukunft zu schmieden. Als wir an seinem Haus ankamen, duschten wir zunächst, aßen etwas und zogen uns das letzte Set sauberer Klamotten an, bevor wir uns hinsetzten und damit begannen, einen Plan zu konkretisieren. Während der kommenden drei Tage in Micks Haus kamen wir wieder zu uns selbst, organisierten uns, säuberten das Tackle und wuschen unsere Wäsche, bevor wir den Entschluss fassten, dass ich in die UK zurückreisen würde, um die anstehenden Termine wahrzunehmen, unser Tackle und Futter aufzustocken und sieben Tage später wieder – bereit zum Fischen – nach Frankreich zurückkehren würde. 

Bienvenue en France – wieder einmal 

Nachdem ich die meisten unserer Verpflichtungen auf der Insel so gut ich konnte erledigt hatte, fuhr ich nach Frankreich zurück. Wir verbrachten noch eine Nacht in Micks Haus, um unsere Ausrüstung zu sortieren und dann ging es auch schon los zum zweiten Teil unseres Abenteuers. Schon früh am Morgen starteten wir den Van und machten uns einige hundert Meilen auf den Weg südwärts, zu einem Flickenteppich von Seen, von denen wir gehört hatten, dass sie große Karpfen beheimateten. Wir fuhren die engen und kurvigen Straßen in Richtung des Sees hinunter und bald kam er in Sicht: ein Reservoir, 4.5 Kilometer lang, von zwei Brücken überspannt und von Bäumen umsäumt – ein wunderschönes Gewässer! 

Alsbald begannen wir unsere Suche zu Fuß auf der dem Wind zugewandten Seite. Wir sahen uns sämtliche Buchten, das Gehölz und die Strukturen an, hatten jedoch nach eineinhalb Stunden überhaupt nichts gesehen. Das kam uns merkwürdig vor, folgen doch gerade Karpfen in großen Seen gerne dem Wind und ich war mir sicher, dass, wenn sie in größeren Zahlen vor Ort gewesen wären, wir auch einen oder zwei gesehen hätten. Aber wir gaben nicht auf und marschierten weiter, wodurch wir letztendlich auf der windstillen Seite ankamen. Und hier waren sie! Zahlreiche Fische guter Größe schwammen über den Krautfeldern nahe des Schongebiets, sonnten sich im ruhigen Wasser und zu unser beider Glück gab es einen Angelplatz – nur 50 Meter entfernt. Wir verschwendeten keine Zeit, gingen das Auto holen und begannen mit dem Aufbau. Da sich am Horizont bereits die ersten Anzeichen von Regen zeigten, bauten wir – untypisch für uns – zuerst das Bivvy auf und banden erst dann einige Rigs. Während wir unsere Sachen startklar machten, sah ich aus dem Augenwinkel, wie ein Schlauchboot mit dem Angler von der gegenüberliegenden Seite genau auf unseren Spot zuhielt. Ich hoffte noch, er würde uns jetzt nicht erzählen, dass er genau an unsere Uferkante fischte, aber leider sagte er genau das. Natürlich hätte ich jetzt standhaft bleiben können, denn schließlich besagen die Regeln, dass man nur bis zur Mitte des Sees vom eigenen Ufer aus fischen darf. In meinen Augen besteht das Angeln jedoch daraus, einem Drama aus dem Weg zu gehen, und nicht, eines für uns heraufzubeschwören. Ziemlich niedergeschmettert willigte ich also ein, zusammen zu packen und just als wir dies taten, öffnete der Himmel seine Schleusen und wir waren dem strömenden Regen schutzlos ausgeliefert. 

Als wir dann völlig durchnässt im Van saßen, dachten wir über unsere nächsten Schritte nach. Wir hatten bei unserer gründlichen Suche zu Fuß nirgendwo sonst Fische gesehen, also schien es die beste Option zu sein, an einen 15 Minuten entfernten anderen See des Flickenteppichs zu fahren. Leider sollte sich auch diese Entscheidung als eine Niete herausstellen, denn der Hauptkörper des Sees war komplett belagert, die Seitenarme ebenfalls – ja, sogar das Schongebiet! Das ließ uns nur eine Möglichkeit vor Anbruch der Dunkelheit: den letzten See der Region anzufahren. 

Sind wirklich aller guten Dinge drei?

Nur zweieinhalb Stunden vor Sonnenuntergang kamen wir nun am dritten See an. Dieser war zwar ebenfalls ziemlich stark frequentiert, aber für unsere eingeschränkten Optionen nicht stark genug. Wir fuhren einen Pfad hinunter, der durch den vorher gefallenen Regen fast zum Sumpf verkommen war, blieben zweimal beinahe stecken und erreichten dann endlich das Ufer. Zu Fuß machten wir uns auf den Weg zu einer großen, schilfumsäumten Bucht von ungefähr 400 Metern Breite, von wo aus wir eine gute Sicht über den See hatten. Wir beschlossen, uns mit dem Fernglas ein wenig hinzusetzen und nach Fischen Ausschau zu halten und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis wir ein paar sahen. Zwei eindeutige Sichtungen auf 300 Meter über die Bucht hinweg reichten uns. Auf dem Weg zurück ans Auto, um unsere Ausrüstung zu holen, hielten wir noch bei einer belgischen Anglerin an und sie erzählte uns, dass ihre Freunde am gegenüberliegenden Ufer gerade zusammen packten, um auf die Stelle zu moven, an der wir gerade gesessen hatten – da war es also wieder: unser Glück…

Wieder einmal hatten wir die Karpfen gefunden und andere Angler hinderten uns (durch gefühlt unfaire Mittel) daran, sie zu fangen. Gut erzogen, wie wir nunmal sind, verabschiedeten wir uns und gingen weiter. Wir gingen noch knapp eine weitere Stunde um den See, sahen aber keine weiteren Fische. Als wir am anderen Ende jener Bucht ankamen, in der wir ursprünglich die Fische gefunden hatten, sahen wir, dass die Belgier bislang nicht aufgetaucht waren. Dies war nun eine Frage der Netiquette: Sollten wir die Bucht hinter uns lassen und irgendwo fischen, wo wir keine Karpfen gesehen hatten, oder dort angeln, wo niemand aufgetaucht war? Oder sollten wir in die Bucht gehen und auf kurze Distanzen von 100 Metern angeln und den Belgiern die restlichen 300 Meter überlassen, sollten sie tatsächlich noch auftauchen? 

Wir entschieden uns für Letzteres und fischten jeweils nur zwei Ruten, die wir in das Areal warfen, in dem wir vorher die Fische gesehen hatten. Gerade, als ich mit der zweiten Rute zum Angelplatz zurückkehrte, kamen die anderen Angler an ihrem Swim an. Wir legten noch die dritte Rute, als einer der Belgier im Boot seinen Platz verließ. Ich sagte noch zu Claire, dass es nun spannend werden würde und hoffte insgeheim, dass ich mit dem anderen ins Gespräch kommen und ihm erklären könne, dass wir nur auf maximal hundert Meter Distanz fischen würden und so ganze 300 Meter für ihn blieben. Leider sollte es nicht so kommen! Er warf seine H-Boje gerade einmal fünf Meter entfernt von uns, warf eine Handvoll Futter hinterher, platzierte blind sein Rig und machte sich – ohne ein Wort zu sagen – auf den Weg zurück zu seinem Angelplatz. Wir schauten uns nur groß an und lachten. Der Entschluss war gefasst: Wir würden die Nacht hier verbringen und uns am folgenden Morgen auf zu neuen Ufern machen, egal, was die Nacht bereithielt. 

Manchmal täuscht der erste Eindruck. Chancen nutzen!

Als der Morgen uns neblig und mit bewegungslosen Ruten empfing, luden wir zügig alles in den Van und machten uns südwärts auf den Weg nach Zentralfrankreich. Nur eineinhalb Stunden später erreichten wir ein altes Trinkwasserreservoir. Der Wasserstand war ziemlich niedrig und in der heißen Augustsonne sah es, um ehrlich zu sein, nicht besonders einladend aus. Aber nur eine Stelle war belegt, wodurch wir die freie Platzwahl haben sollten. So setzten wir uns einfach in die Mitte, um die beste Aussicht auf einen sich zeigenden Karpfen zu haben. Eine Stunde später begann der Wind aufzufrischen und wir konnten in kurzer Zeit zwei springende Karpfen ungefähr in der Mitte des Sees ausmachen. Mit nur einer geplanten Nacht an diesem Gewässer war dies Grund genug, unsere Platzwahl abzuschließen. 

Mit dem Boot fuhren wir hinaus und das Areal, das wir uns ausgesucht hatten, erwies sich als äußerst flach mit circa eineinhalb Metern Tiefe und einem weichen, klebrigen Schlammboden. Als wir auf dem Weg zu der Fläche waren, wo wir vorher die Fische gesehen hatten, erkannten wir auf dem Echolot dann eine Vertiefung von circa 50 Zentimetern mit einer Fläche von drei auf fünf Meter. Mit dem Tastblei, mit dessen Hilfe wir den Spot etwas näher erkundeten, erkannten wir schnell, dass dieses Areal deutlich härter als das umliegende Gebiet war – hier und dort waren noch vereinzelt Steine auf dem Untergrund zu spüren. Hierbei handelte es sich ganz offensichtlich um einen Fressplatz der Karpfen, den sie freigegründelt hatten – eine sichere Bank für einen Biss. Wir legten zwei Ruten mit Blowback-Rigs und Scopex Squids auf die härtere Stelle, die anderen vier mit denselben Rigs auf verschiedene andere Weiten und Tiefen. Danach richteten wir uns mit dem sicheren Gefühl für die Nacht ein, dass die Vertiefung ein bis zwei Bisse produzieren würde. In der Tat mussten wir nicht allzu lange warten, bis es losging. Als ich den Dauerton meiner rechten Rute auf der Vertiefung unterbrach und die Bremse zudrehte, konnte ich sofort spüren, dass es sich um einen guten Fisch handelte. Da nirgends Unterwasserhindernisse vorhanden waren, beschloss ich, den Fisch vom Ufer aus im Mondlicht zu drillen und nach einigen brachialen Fluchten sowie zehn Minuten des Kampfes, gab der Fisch auf. Ein herrlich dunkler und alter Spiegelkarpfen von 38 Pfund von ausgesprochenem Charakter stand da im Kescher – wir waren mega happy. Eine guter Fisch von genau jenem Spot, auf dem wir sie hatten ausmachen können und es war noch nicht einmal 23 Uhr. Was ein Ergebnis!

Just als ich meinen Fisch verstaut hatte, lief Claires linke Rute auf dem gleichen Spot los und ein ähnlicher Drill begann – der diesmal mit einem wunderhübschen Schupper von 30 Pfund endete. Wir waren absolut überglücklich und brachten die Ruten sofort wieder an den Platz. Wir hatten beide in kurzer Abfolge zwei Fische fangen können, die Fische waren also offensichtlich zahlreich auf unserem Futter. Dies veranlasste uns, weitere drei Kilo 20mm Boilies auf unsere beiden Ruten zu füttern. So wollten wir die Karpfen vor Ort halten und noch die Chance auf weitere Bisse bekommen. Und tatsächlich ging unser Plan auf, denn wir fingen in dieser Nacht noch weitere drei, inklusive eines traumhaft kompakten Zeilers von Ende 30 Pfund für mich. Wir fuhren unsere Taktik weiter und fütterten nach jedem Biss eineinhalb bis zwei Kilo Boilies nach, um die Fische bei Laune zu halten und unsere Chancen auf diesem Hotspot zu maximieren. 

Am Morgen erwachten wir und erneut stieg dichter Nebel vom See auf. Mit den vier besten Karpfen in den Säcken, tranken wir hastig je zwei schnelle Kaffees und machten uns an den Abbau. Gerade als wir dann die weite Rute im dichten Schlamm einholen wollten, erklangen auf dieser zunächst ein paar einzelne Töne, die sich allmählich in einen Vollrun steigerten. Ich nahm die Rute auf und mir wurde schlagartig klar, dass das hier etwas anderes war. Der Fisch zog dumpf und schwer seine Bahnen, also wollte ich nichts verkehrt machen und hüpfte direkt ins Boot. Über dem Fisch angekommen und mit einigen Klängen der Schlagschnur auf der Rolle, stand fest, dass das hier ein richtig Guter sein würde. Tief und schwer mit einigen kurzen Fluchten zog der Fisch unter mir dahin – eine Angewohnheit, die kleine Fische nicht besitzen. Als er dann das erste Mal mit seiner ledrigen Flanke die Oberfläche durchbrach, konnte ich endlich sehen, was für ein Kaliber hier am Haken hing! Nur wenige kurze Fluchtversuche später konnte ich den Kescher endlich unter ihn schieben und er war geschlagen. Die Waage pendelte sich bei diesem perfekten Lederkarpfen bei etwas über 45 Pfund ein und mit seinen dunklen Farben und den spitzen Barteln war er das perfekte Ende und eine würdige Belohnung für unsere Mühen an diesem Gewässer. 

Nach ein paar Bildern meiner morgendlichen Belohnung arbeiteten wir uns unseren Weg durch die restlichen Fische in den Schlingen, um danach das Boot auf den Van zu spannen. So machten wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, eine Fahrt von 2 Stunden und 45 Minuten westwärts im tiefen Zentralfrankreich. Auf ins nächste Abenteuer!

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