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Deine Story / 11.05.2015

Chris Jahrbacher: Das Meer im Atlas - Teil 3

Heute erwartet euch der finale, dritte Teil von Chris Jahrbachers großer Marokko-Story „ Das Meer im Atlas“. Nachdem Markus und Chris die Fische in Teil 2 fernab vom Basiscamp fanden und die ersten Atlas-Riesen bezwangen, kommt es zum Showdown. Chris erfüllt sich einen langen Traum, doch das soll noch nicht alles gewesen sein, lest selbst: 

So vergingen die Tage mit den immer gleichen Abläufen. Fische drillen, Mais kochen und rudern bis einem die Hände abfielen. Es gab eigentlich immer was zu tun:  Vormittags wurden wir immer mit den Essen für 24 Stunden versorgt und die Guides brachten uns außerdem alles was am Vortag per SMS bestellt wurde. Die marokkanische Küche und das gelieferte Essen war immer ausreichend, ausgesprochen lecker und abwechslungsreich. Generell waren die Jungs um Nahym immer sehr bemüht alle Wünsche am nächsten Tag zu erfüllen. Egal ob Bier, Tabak, Papers, Wein oder Sonstiges. Uns fehlte es wirklich an nichts - außer an einem dichtem Schlauchboot!

Big Balls vs. Scopex-Mais

Auch den Jungs auf der "Insel des Esels" müssen in diesen Tagen die Bremsen heiß gelaufen sein, sie konnten jeder mehrere Runs verbuchen. Leider war das Durchschnittsgewicht hier im flachen Bereich des Sees sehr niedrig und sie beschlossen die nächsten Tage nur noch mit Big Balls zu fischen. Das lies zwar die Bissfrequenz sinken, doch hob das Durchschnittsgewicht deutlich an. In den letzten Tagen des Trips werden sie auf „Donkey Island“ zu dritt sicherlich um die 100 Fische gefangen haben.

Markus und ich waren eigentlich mehr als gesegnet mit unserer Platzwahl, denn wir fingen fast ausnahmelos gute Fische über 15 Kilogramm. Unser Platz schien zu dieser Zeit und beim herrschenden Wasserstand einfach im Bereich der "Dicken" zu liegen.

Die wir alle paar Stunden mit reichlich "Scopex Flavour" versuchten, bei Laune zu halten. Ich glaube Futter hat eine enorme Wirkung in diesem Gewässer und der "Scopex Flavour" weckte merklich die Neugier der Fische. Nicht abschätzbar - was man hier erreichen könnte, wenn man die Möglichkeit hätte, eigenes Futter in großen Mengen mitzubringen.

Final Countdown

Die Zeit verging und unsere Abenteuerreise neigte sich dem Ende entgegen. Uns blieben nur noch wenige Nächte und in unseren Köpfen spukte ein erneuter Platzwechsel herum. Komplett wahnsinnig, wenn man bedenkt, dass wir mittlerweile jeden Tag an diesem Platz 5-7 gute Fische landen konnten und wirklich jeder unserer Spots produktiv war. Doch wir wollten einfach mehr entdecken und einen dritten Platz beangeln, um noch mehr vom Spirit dieses Gewässers aufzusaugen.

Ich überließ Markus die Entscheidung, wie und wo es weitergehen sollte. Er entschied aufgrund des täglichen Windes auf die andere Seeseite zu wechseln, was auch für mich durchaus logisch klang. Abends packten wir unsere Taschen und gaben den Guides wieder per SMS Bescheid.

Mit einer Flasche marokkanischem Wein saßen wir beim Lagerfeuer, besprachen die weiteren Vorgehensweisen und ließen die letzten Tage nochmal Revue passieren. Es muss ungefähr 2:00 Uhr Nachts gewesen sein, als mein Delkim mich mit Dauersignal aus dem Schlaf riss. Noch etwas verwirrt vom Wein lief ich zur Rute, die bei der großen Insel lag.

Leicht bekleidet im Wind stehend, wurde mir schnell kalt, natürlich beeindruckte das meinen Gegner nicht. Wie ein Torpedo zog er in die Tiefe und ließ meine Shimano laut aufkreischen. Ich knipste das Orbiloc Licht an und stieg ins Boot, das wiedermal viel zu wenig Luft in den Kammern hatte. Meine Knie und Hände zitterten vor Kälte, meinen warmen Atem blies ich mir in den Hoodie, während ich mich langsam an den Fisch heranzog. Die 13 ft. Rute federte die Fluchten des Fisches perfekt ab, langsam aber sicher pumpte ich ihn zur spiegelglatten und vom Mond hell erleuchteten Wasseroberfläche.

Während der Fisch keine 2meter unter dem Boot seine letzten Kraftreserven aufbrauchte und sich danach auf die Seite legte, konnte ich im Schein der Led Lenser sehen, mit was ich es zu tun hatte. Mir rutschte das Herz in die Hose, während ich meinen eigenen Puls rasen hörte. Jetzt bloß keinen Fehler machen und das Teil so schnell wie möglich im Kescher versenken, schoss es mir durch den Kopf.

Ein Traum wird wahr

Was zum Vorschein kam, übertraf meine Erwartungen bei weitem. Ein Fisch mit extrem schöner Schuppenformation verteilt auf einem massigen Körper. Ich träumte lange von so einem Atlas-Spiegler, traute mich aber zu keinem Zeitpunkt, diesen Traum auszusprechen. Das Boot pumpte ich nochmal nach, die Rute aber, brachte ich nicht wieder aus. Ich lehnte sie zufrieden ans Zelt, bevor ich mich wieder in meinem Schlafsack verkroch. Mein Traum wurde wahr.

Nur Minuten später, ich musste gerade wieder eingeschlafen sein, vernahm ich die Rufe von Markus. Auch er hatte jetzt einen an der Insel gehakt. Ich quälte mich mit Mühe wieder aus dem gemütlichen Bedchair. Dieses Mal griff ich aber als erstes zu meiner Dozer Jacke. „Chrisi, Chrisi, ich glaub das ist ein Guter“, rief er noch während meine Augen auf scharf stellten und mein System aus dem Schlafmodus hochfuhr. Mit dem Fisch hatte Markus gut 20 Minuten zu kämpfen, bevor zu unserer Überraschung auch dieses Mal wieder ein Spiegler zum Vorschein kam.

Jetzt waren wir beide hellwach und vor lauter Aufregung war an Schlaf nicht mehr zu denken. Schnell waren wir uns einig: Kaffeemühle durchheizen und weiter machen. Die beiden Montagen ruderten wir nochmal auf ihre Plätze und verteilten nochmal großflächig einige Eimer mit Mais auf einer Fläche von mehreren Hundert Quadratmetern.

Nahym, wir bleiben!

8:00 Uhr morgens und etliche Tassen des Marokkanischen Espressos später sahen wir aus wie Eulen der Nacht. Nahym war schon im Anmarsch, um uns abzuholen und an den nächsten Platz zu bringen. Markus schaute nochmals zu mir rüber und ich verstand sofort was sich in seinem Kopf abspielte.

Ich konnte nur blöd grinsen, als er mit einem 10-Euro-Schein bewaffnet auf Nahym zuging:

"Sorry mate but we stay here for the last days, this is for the circumstances !"

Gegen Mittag besuchte uns ein Einheimischer, der hinter einem der Hügel lebte. Er brachte uns frische Eier und freute sich über Markus´ westliche Filterzigaretten sowie Kleinigkeiten aus unserem mitgebrachten Medizinschrank. Er zeigte uns stolz seine ausgefuchsten Montagen, die unseren eigentlich sehr ähnelten, aber mit der Hand geworfen wurden: Ein kleiner runder Stein, der perfekt eingeschlauft wurde, diente zum Werfen. An einem großen Einzelhaken, an dem sich ein der Länge nach aufgefädelter Wurm befand, hakte er sicherlich nicht nur Schwarzbarsche. Die ungefähr 100 Meter lange Monoschnur wurde auf länglichen, ausrangierten Spraydosen aufgespult. Wir staunten nicht schlecht, wie der 78 Jahre alte Mann diese Montage gegen den Horizont schleuderte und damit locker die Hälfte seiner Spule leerte.

Der Camp-Besitzer Marc erzählte uns anschließend, dass sich die Einheimischen mittlerweile darauf spezialisiert haben, Karpfen zu fangen, um sie dann lebend wieder an ihn zurück zu verkaufen. Not macht erfinderisch und wer die Armut in diesem Land selbst erlebt hat, kann das auch durchaus nachvollziehen .Wie unsere anderen drei Kollegen, schenkten auch wir unseren Besuchern, alles was wir entbehren konnten. An die Freude darüber und besonders an das Lächeln auf seinen faltigen Lippen, erinnere ich mich immer wieder gerne zurück.

Wenn sich das Wasser rot färbt

Der Wind frischte auf und verwandelte das glasklare Wasser in eine ziegelrote Suppe. Mein Delkim Receiver gab ein einzelnes Signal, kurz darauf ein zweites, um dann den vertrauten Dauerton wiederzugeben. Ich lief zur Rute, die ganz außen rechts in der Bucht lag. Auf halber Strecke bemerkte ich bereits, dass mein Marker ein eigenartiges Verhalten an den Tag legte. Auweh, der Fisch hängt in meiner Schaumstoffboje fest, rief ich Markus zu. Ich nahm die Rute auf und bemerke sofort den enormen Gegendruck, der auf mich wirkte. Sicherheitshalber bat ich Markus das Boot zu holen, mein Marker diente derweilen einige Minuten als Pose bevor die Gummischnur dann unter der Spannung der scharfen Geflochtenen nachgab. Jetzt konnte ich frei drillen und Markus fuhr das Boot in meine Richtung. Die ungebremste Kraft dieses Bullen übertrug sich direkt auf meine Magnesiumrolle und ich war froh diese Arbeitsmaschine an meiner Seite zu haben.

Ich stieg ins Boot und mein Kumpel manövrierte mich in Richtung Fisch, während der Wind weiter zunahm und von vorne gegen uns drückte. Markus ruderte was das Zeug hielt, hatte aber echte Mühe uns auf Kurs zu halten. Es begann ein ewiges Tauziehen und zwischendurch fühlte es sich an als hätte ich einen Wels gehakt. Nach ewigem hin und her, schafften wir es dann endlich über den Fisch und der eigentliche Fight konnte beginnen. Mit dem Wind ließen wir uns treiben und Markus hielt uns mit wenigen gezielten Paddelschlägen auf Distanz zum Ufer, während ich mir ein großartiges Kräftemessen mit dem Monsterfisch lieferte.

Mein Kontrahent schien sich seiner brachialen Kraft voll bewusst, aber mit der dicken vorgeschalteten Monoschlagschnur konnte unter normalen Bedingungen nicht viel schiefgehen. Ich hielt also ordentlich dagegen. Unter stetigen Druck dauerte es nun nicht mehr lange bis der Fisch das erste Mal die rot eingefärbte Wasseroberfläche durchbrach. Ich konnte meinen Augen kaum glauben: „Ach du scheiße, geht der überhaupt ins Netz?“ Reflexartig klemmte Markus die Paddel in die Ruderhalterungen, schmiss das Ruderbrett raus und übernahm den Kescher. Bei der ersten Chance schob er das Ding unter die massige Erscheinung, die jetzt ziemlich ausgedrillt in ihrer vollen Pracht vor uns lag.

Ich hätte es nach den ersten Tagen nicht für möglich gehalten, dass sich das Blatt noch dermaßen wenden würde. Dieser extreme Schuppenkarpfen war das Tüpfelchen auf dem I.

Kreidebleich aber glücklich

Wenn man was gerne macht, vergeht die Zeit wie im Flug und so ging auch dieser unglaubliche Frühjahrstrip am Bin el Quidane zu ende. Freitagabend holten uns die drei anderen ab und wir fuhren gemeinsam wieder zurück ins Basiscamp. Ein letztes Mal wurden wir sehr gut bekocht, wie bei der Anreise verbrachten wir auch die Nacht vor der Abreise in der schäbigen Unterkunft. Natürlich ließen wir es uns auch dieses Mal nicht nehmen, lieber in unseren Schlafsäcken zu schlafen….

Dass die Fahr zum Flughafen noch härter für unsere Nerven werden sollte als die Hinfahrt, hätte niemand von uns vermutet: Wurden wir doch tatsächlich zu fünft mitsamt unserer Ausrüstung für die 4 Stunden lange Fahrt über Stock und Stein in einen kleinen Pkw gesteckt.

Zwar kamen wir kreidebleich am Flughafen an– doch das Lächeln auf unseren Lippen – das konnte uns niemand nehmen. Schließlich erlebten wir das Abenteuer unseres Lebens.

Danke fürs Lesen.

Chris Jahrbacher

Übrigens: Reisen an den Bin el Quidane sind über den Reiseveranstalter The Carp Specialist buchbar. 

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Nash Marc and Alan