Christoph Vogel: Stauseebusiness
Ich war motiviert bis in die Haarspitzen, als ich nach der winterlichen Abstinenz an einem Freitagnachmittag von der Arbeit nach Hause kam und endlich wieder zurück an den großen Stausee fahren konnte, an dem ich bereits im Jahr 2019 recht gut gefangen hatte. Am See angekommen wurde schnell das Boot beladen und es ging an die Stelle, die mir schon in vorherigen Sessions einige schöne Fische brachten. Die Ruten waren schnell gelegt, und die Freude war groß, jedoch hatte das Wasser erst knapp 6 Grad. Nicht gerade die perfekten Bedingungen, um den ersten Karpfen des Jahres zu überlisten. Als ich am nächsten Morgen erwachte, hatten sich meine Befürchtungen jedoch bewahrheitet. Die Bissanzeiger blieben still.
Die ersten Erfolge stellten sich ein
Es vergingen zwei weitere Wochen und meine nächste Nacht stand an. Das Wasser hatte sich nicht wirklich erwärmt und die Temperatur lag noch bei unter 8 Grad. Es schien die Sonne und so suchte ich mir eine Flache Bucht, in der ich die Fische vermutete. Die Nacht verlief relativ ruhig, doch als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont kamen meldete sich ein Delkim mit einem Dauerton. Ein kleiner Spiegler glitt nach eher unspektakulärem Drill in meinen Kescher. Der Anfang wäre eigentlich gemacht, doch leider blieb dies auch der einzige Fisch der Session. Nach einer Nacht Zuhause musste ich am nächsten Tag unbedingt wieder für eine Shortsession an den See zurückkommen. Die Bedingungen waren einfach zu gut um zuhause zu sitzen. Ich packte nur das nötigste zusammen und fuhr neu motiviert zum See. Dort angekommen der erste Schockmoment. Paddel vergessen. Nun ja, irgendwann musste mir das ja auch einmal passieren. Von der letzten Session wusste ich, dass es einen Krautfreien Streifen in Wurfdistanz gibt. Diesen galt es nun zu treffen. Wieder beköderte ich beide Rigs mit auffälligen Popups, sowie einem PVA-Stick und warf die Köder anschließend in Richtung der krautfreien Zone. Ziemlich zufrieden mit den Würfen, dauerte es keine halbe Stunde und einer der Delkims ratterte aus dem Nichts los.
Schon als ich die Rute aufnahm wusste ich, dass es diesmal kein kleiner Satzkarpfen sein kann. Nach kurzer Zeit konnte ich im Glasklaren Wasser erkennen, dass ich mit meiner Vermutung absolut richtig lag. Ein richtig guter Fisch hing da am Haken. Meine Wathose war nicht in greifbarer Nähe, also entschloss ich mich, um den Fisch vom naheliegenden Krautfeld fernzuhalten, mit Schuhen ins Wasser zu gehen. Allmählich kam der Fisch immer näher und die Spannung stieg noch einmal, als der Fisch kurz vor dem Kescher versuchte mit all seiner Gewalt Schnur von der Rolle zu nehmen. Kurze Momente später hatte er jedoch verloren und ich konnte ihn sicher über den Kescherrand ziehen. Yesss!!! Was ich da im Kescher hatte, war ein richtig guter Fisch. Ich legte den Spiegler in die Matte um ihn zu wiegen und als der Zeiger nur ganz knapp unter der 20kg Marke stehen blieb, fehlten mir die Worte. Einfach geil!
Willkommen im Wonnemonat
Es war mittlerweile Anfang Mai, die beste Zeit, um einen der ganz dicken Maibomber zu fangen. Das Wochenende stand an und ich hatte wieder eine Nacht Zeit, um doch noch den langersehnten Stauseeriesen zu fangen. Die Motivation war, um ehrlich sein, aufgrund der vorherigen Sessions nicht sonderlich groß. Es war bereits 16 Uhr als ich am See ankam und die beliebtesten Plätze waren alle schon belegt. Dies störte mich jedoch nicht, da in den letzten zwei Jahren der Angeldruck gerade dort enorm anstieg und ich die Fische daher in dem nicht so stark befischten Seeteil vermutete. Also, ab - dorthin. Ich ruderte die Bereiche rund um meinen neuen Platz ab und konnte bereits nach wenigen Minuten Fische an der Oberfläche sehen. Perfekt!
Schnell habe ich mein Zelt aufgestellt und daraufhin wurden auch gleich die Ruten fertig gemacht. Die erste Rute kam an den Platz, an dem ich die Fische sah und die andere in ein ufernahes, kleines Krautloch. Da eine anstrengende Woche hinter mir lag, dauerte es nicht lange, bis ich abends schnell einschlief. Es war mittlerweile 5 Uhr morgens, als meine linke Rute aus dem Nichts losschoss und der Fisch riss mir dabei sogar die Rute vom Banksstick. Es war die Rute, die ich dort abgelegt habe, wo ich die Fische am Vorabend lokalisieren konnte. Ich nahm die Rute auf und ruderte dem Fisch ein Stück entgegen. Alles hing voller Kraut und ich zupfte dies Stück für Stück von der Schnur. Dann dieser schreckliche Moment. Null Gegendruck am anderen Ende. Ich war mir recht sicher, dass der Fisch nun ausgeschlitzt sei, doch als sich ein riesiger Krautbatzen löste, gab es zumindest ein kurzes Aufatmen. Der Druck war wieder da. Zudem ging die Schnur nun in Richtung Freiwasser, was hier äußerst selten vorkommt, da die meisten Fische direkt ins dichte Kraut flüchten und man sie dort dann auch nicht selten verliert.
Der Fisch schwamm nun auf ca. 6 Meter Wassertiefe, wo ich ihn frei drillen konnte. Ich spürte, dass dies kein kleiner Fisch sein kann. Als ich den Fisch im klaren Wasser dann endlich unter mir sah, blieb mir kurz das Herz stehen. Es war einfach nur ein Brett von Fisch zu sehen! „Jetzt nur nichts falsch machen“, lief mir in Dauerschleife durch meinen Kopf. Ich griff nach dem Kescher hinter mir, und wie sollte es auch anders sein, fiel dieser direkt ins Wasser. Dank des Netfloats und eines fast kippenden Faltbootes, konnte ich diesen jedoch recht schnell erreichen und im selben Zug unter den Fisch führen. Was für ein Teil hatte ich da im Netz! Ich bekam den Fisch gerade so ins Boot, ohne dass die Falte kippte und bemerkte jetzt erst die wirklichen Ausmaße des Karpfens. Der Fisch hatte locker und leicht über 20 Kilo, dessen war ich mir sicher. Am Ufer angekommen wog ich den Fisch und was die Waage dann anzeigte, war für mich einfach nur erleichternd. Ich war überglücklich. Die Waage schnellte auf 23 Kilo hoch. Für diesen See ein absoluter Ausnahmefisch!
Eins habe ich im vergangenen Jahr gelernt: Manchmal heißt die Devise „einfach nur durchhalten und nicht aufhören an sich und seine Angelei zu glauben“. Auch wenn es manchmal schwierig läuft, kann immer der eine kommen, für den sich all die Strapazen und Gedanken lohnen.
Christoph Vogel