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Deine Story / 12.03.2015

Martin Abels Story: Die Gunst der Stunde

Eigentlich hatte ich an diesem Freitag gar nicht geplant ans Wasser zu fahren. Eigentlich standen "wichtigere" Dinge an. Und eigentlich wollte ich mein Glück, nach einem geglückten Saisonauftakt Anfang Januar nicht überstrapazieren... eigentlich!

 

Felix der Orkan

 

Aber das Wetter sah schon verdammt gut aus und die Vorhersage für die bevorstehende Nacht sogar noch besser: Für Januar war es extrem mild. Bis zu 13 C° sollten es werden und sogar nachts sollten die Temperaturen im zweistelligen Bereich bleiben. Schuld an diesen Bedingungen schien ein starker Wind aus Südwestlicher Richtung zu sein. Felix hieß der Orkan, der dieses exzellente Wetter in unsere Breitengrade drückte. Da meine Freundin und ich ursprünglich andere Pläne hatten, wollte ich dem inneren Drang, so schnell wie möglich ans Wasser zu kommen, irgendwie standhalten.

 

Wer kennt es nicht. Die Saison scheint endlich zu Ende, was endlich etwas mehr Zeit für Familie, Freunde und Beziehung bedeutet und dann das: bestes Fangwetter mitten im Winter! Beinahe hatte ich mich schon mit dem Gedanken abgefunden, die Gelegenheit die Felix mit sich brachte, verstreichen zu lassen, als plötzlich von meiner Freundin der Vorschlag kam. Sie fragte: "Sollen wir nicht angeln gehen, wenn doch das Wetter so mild ist?" Ich traute meinen Ohren nicht. Wie jetzt? Ehrlich? „Ja klar“, stimmte ich zu, bevor sie ihre Idee nochmal überdenken konnte.

 

Alle eigentlichen Pläne wurden sofort über den Haufen geworfen, stattdessen wurde in Rekordtempo das Auto beladen. Bei solch kurzzeitig milden Bedingungen mitten im Winter ist es enorm wichtig, die Gunst der Stunde zu nutzen. Denn genau so schnell wie Felix kam, konnte er auch wieder von dannen ziehen. Laut Meldung sollte er uns zwischen dem 09 und 11.01 erreichen, also genau dieses Wochenende.

 

Winterfutter und Instant-Köder

 

Zum Glück war das Gerödel noch von der letzten Session halbwegs gepackt, so dass wir schon kurze Zeit später im Auto saßen. Mit an Bord waren die neuen Produkte aus der Crazy Shit Range von R&L Baits. Gerade für den Instant-Einsatz sollen die Neuheiten prädestiniert sein. Jetzt konnten sie zeigen, was in ihnen steckt. Auf mein bewährtes Winterfutter, das aus geraspeltem Belachan, Chilli Hanf, Stickmix und Aminol besteht, wollte ich dennoch nicht verzichten. Für den optischen Reiz sollten die neuen Visual Bottom Baits - schneeweiße Crazy Shit Murmeln – sorgen, anstatt wie üblich halbierte Tigers und Dosenmais.

 

Just in time

 

Als wir am See ankamen, war – fast wie zu erwarten - kein anderer Angler in Sicht. Wie vermutet drückte der milde Wind, der sich mehr und mehr zu dem angekündigten Sturm entwickelte, voll in den von mir anvisierten Bootshafen. Mein gutes Gefühlt wuchs weiter. Die Luft roch nach Erfolg und das meine ich nicht als Floskel. Es gibt ihn tatsächlich, diesen besonderen Geruch in der Luft, der dir sagt, heute wirst du fangen.

 

Angeheizt von diesem Duft baute ich so schnell wie möglich unsere kleine Behausung auf, denn die Wolken am Himmel wurden immer dunkler. Das Bivvy fand geschützt zwischen den über den Winter hinausgezogenen Ruderbooten seinen Platz. Just in time schaffte ich es anschließend noch beide Ruten im letzten Licht des Tages an zwei verheißungsvolle Spots zu fahren.

 

Martins Winterspots

 

Im Winter wird häufig das Fischen in den tiefen Bereichen eine Gewässers empfohlen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass weniger die Tiefe, sondern mehr die Deckung, die ein Spot bietet über sein Potenzial entscheidet. Wenn dann noch das Wasser nicht all zu flach ist und der Platz im Tagesverlauf viel Sonne abbekommt, hat man schon ganz gute Karten. Von der Sonne fehlte an diesem Freitag zwar jede Spur, aber mit den Stegen des Hafens und einigen tief ins Wasser ragenden Bäumen hatten die Fische ausreichend Deckung in diesem Bereich.

 

Ich rechnete aufgrund des kalten Wassers nicht damit, dass die Fische ihre Winterunterstände für längere Streifzüge durch das Gewässer verlassen würden. Zwischen dem Geäst der versunkenen Bäume und den Pollern des Hafens würde sich sicherlich hier und da noch etwas natürliche Nahrung befinden. Aus diesem Grund wollte ich so nah wie möglich vor diesen Hindernissen fischen. Für dieses Vorhaben wechselte ich die dicke 43er Mono gegen eine 30er Geflochtene mit vorgeschalteter 60er Mono aus. So hat der Fisch, egal auf welche Entfernung der Biss kommt, nur die Dehnung der Schlagschnur als Spiel, vorausgesetzt die Breme ist wirklich zu!

 

Um die Ruten zusätzlich zu sichern, spanne ich in solchen Situation einen Expander am Butt Grip über den Rutengriff und fixiere ihn mit Heringen am Boden. So ist die Rute auch für den Fall, dass ich mich während des Bisses gerade auf dem Wasser befinde gesichert.

 

Mit der einbrechenden Dunkelheit waren meine Ruten ausgebracht und gesichert. Kurz darauf setzte auch schon der erwartete Regen ein. Schnell noch den Glücksbringer an die Ruten, in die ich das besser Gefühl hatte und das Warten konnte beginnen.

 

Ahhh f***!

 

Lange musste ich nicht auf die erste Aktion warten. Schon nach einer Stunde – es hatte sich gerade eingeregnet - wurde ich von einem Dropback an die Rute gerufen. Oh nein, das sah schwer nach Brasse aus. Und so war es dann auch. Also rein ins Regenoutfit, ab ins Boot und aufs Wasser. Kurze Zeit später war die Rute wieder penibel in die kleine Vertiefung vor dem toten Baum gebracht, 150 m zurück gerudert und ich war fertig mit der Welt. Was bei gutem Wetter ganz easy ist, erwies sich bei dem nun herrschenden Orkan und Starkregen als äußerst schwierig.

 

Aber egal die Rute muss perfekt liegen – immer! Wer sich im Winter egal ob bei Sturm und Regen oder bei Kälte und Eis ans Wasser setzt, sollte nie zu faul sein, seine Montagen so oft wie nötig perfekt zu präsentieren, denn das ist absolut fangentscheidend.

 

Als ich mich wieder von der Regenkleidung befreit hatte und wir etwas warmes gegessen hatten, meldete sich die Rute erneut mit einigen Piepsern. Diesmal klebte der Swinger unterm Blank. Karpfen! Rute aufnehmen und gegengehalten war nun angesagt, dann begann ich langsam zu pumpen und... ab. Ausgeschlitzt! Ahhh f***!

 

Das durfte nicht wahr sein: Erst die Brasse, dann die Tortur beim erneuten Auslegen und jetzt stand ich da im Regen und verfluchte meine Modifikation am Rig. Das Rig verbannte ich wieder ganz nach unten in die Box. Mein altbewährtes kam wieder ans Band und schon konnte es wieder mit dem Boot raus in den Regen gehen. Als ich erneut aus dem Sturm zurückkam, begrüßte mich meine Freundin mit einem heißen Glühwein. Schnell war ich wieder aufgewärmt und die Hoffnung kehrte zurück. Danke Schatz.

 

Rudern, kurbeln, rudern, …

 

Die nächste Aktion folgte keine 2 Stunden später und diesmal hielt das Rig. Der Fisch stand in der Rute wie ein Fels in der Brandung, nach und nach schaffte ich es, ihn einige Meter von den Hindernissen wegzubekommen. Als er dann endlich seine Richtung änderte und ins tiefe Freiwasser zog, konnte ich endlich ins Boot steigen und ihm entgegen fahren. So zumindest mein Vorhaben, doch zwischenzeitlich hatte der Sturm deutlich an Stärke zugenommen. Mit aller Kraft kurbelte und ruderte ich abwechselnd.

 

In den Ruderpausen wurde ich immer wieder vom Wind ergriffen und bedrohlich nah an die Stege gedrückt. Mir blieb nur eine Möglichkeit: Rute zwischen die Beine klemmen und ein paar kraftvolle Ruderschläge gegen den Wind machen, hastig etwas Schnur aufnehmen und sofort weiter rudern. In solchen Momenten ist ein guter Kumpel im Boot wirklich Gold wert, aber hier war ich vollkommen auf mich alleine gestellt.

 

Mit der Ruder-Kurbel-Taktik gelang es mir den Fisch einzunetzen nur Sekunden bevor ich zwischen die Stege und Taue trieb. Als ich im Schein der Kopflampe die Ausmaße meiner Beute begutachtete, entfuhr mir ein lautes "yeesss“! Die ganze Anspannung des Drills entlud sich. Der sah gut aus. Das wiegen am Ufer bestätige meine Vermutung: Ich hatte den ersten Vierziger des Jahres auf der Matte und das im Januar. Geil! Dauerregen und Sturm nahm ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wahr.

 

Das änderte sich auch während der nächsten beiden Drills nicht. Der heftige Kampf zwischen Wellen, Booten und Stegen wurde allmählich zur Routine. Zwei weitere richtig gute Fische, die beide die 20 Kg Marke nur knapp verfehlten, ließen mich vollends in einen Rauschzustand verfallen.

 

Wenn man die Gunst der Stunde nutzt

 

In den frühen Morgenstunden stand ich erneut mit zum bersten gebogener Rute am Ufer, um dem brachialen Druck am andern Ende standzuhalten. Was hier vor sich ging, konnte doch einfach nicht wahr sein. Zeit zum Begreifen blieb mir keine, den dieser Fisch entschloss sich, nachdem ich ihn ca. 10 m vom Baum weggepumpt hatte, für einen erneuten Anlauf gegen die geschlossene Bremse.

 

Ich musste ihn ein paar Meter gewähren lassen, denn der Druck auf das Material war einfach zu groß. Mir war jedoch klar, dass ich ihn keine Fahrt aufnehmen lassen durfte, den der Baum war immer noch in Reichweite.

 

Mittlerweile drillte ich wie in Trance – lässig und abgeklärt. Auch dieses Mal ging alles glatt, nach etlichen Minuten und vielen Metern, die der Wind mich tief in den Hafen gedrückt hatte, konnte ich den Kescher endlich unter ein weiteres Brett schieben. Völlig perplex musterte ich meinen Fang im Netz. Der Fisch, der vor mir im Boot lag war noch um einiges größer und breiter als seine Vorgänger.

 

Am Ufer teilte mir die Waage dann mit, dass ich in dieser denkwürdigen Session nicht nur meinen ersten Vierziger, sondern auch meinen ersten Fünfziger für 2015 gefangen hatte. Bei 25,5 Kilo blieb die Waage stehen. Ich war einfach platt - mental und körperlich.

 

Rückblickend bin ich mir sicher: So etwas erlebt man wirklich nur wenn alles passt und man die Gunst der Stunde nutzt.

 

Martin Abels

 

http://www.rl-baits.de/

 

Übrigens: Im Herbst 2014 bereicherte Martin Abels schon mal das Carpzilla MAG mit einer tollen Story: "Lucky Punch" war ihr Titel.  In dieser berichtet er von einer legendären Session am berühmten Echternacher See. Ihr findet sie hier:
http://www.carpzilla.de/mag/deine-story/deine-story-lucky-punch-von-martin-abels-5135.html

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Partner
Florian Woldt fängt den Fisch seines Lebens.