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Deine Story / 24.04.2017

Michael Neugebauer: Ein Fisch namens Mathilda

Die folgende Story bekamen wir von Michael Neugebauer aus Niedersachsen. Sie hat uns fasziniert und auch bewegt. Schließlich erzählt Michael nicht nur von einem großen Karpfen, der sein heimliches Dasein führte, sondern auch von alten Tugenden des Karpfenangelns, die heute immer weiter aus dem Fokus rücken... Für Micha ist Karpfenangeln mehr als große Fische fangen: viel mehr geht es ihm darum, eins zu werden mir der Natur, um Entschleunigung und um die Kameradschaft unter Karpfenmanglern, doch lest selbst, es lohnt sich! 

Ich möchte euch eine kleine Geschichte erzählen von einem Fisch, den ich schon seit Jahren beobachte, ohne irgendwie Jagd auf ihn zu machen. Manchmal reicht einfach schon der Anblick eines tollen Fisches, um zufrieden zu sein. Beobachten, ohne zu bewerten lautete die Devise.

Oft habe ich ihn beim Laichgeschäft entdeckt, ohne dabei irgendwie den Drang zu verspüren, diesen für diese Region ganz besonderen Fisch als erster oder so schnell wie möglich fangen zu wollen: „Irgendwann wird er schon mal beißen", dachte ich mir immer wieder. Alles hat seine Zeit.

Angeln ist Therapie

Am Wochenende vor Ostern ging ich für eine Nacht ans Wasser obwohl ich eigentlich gar keine richtige Lust verspürte, aber ich musste einfach raus, um den Kopf frei zu bekommen. Angeln ist die beste Therapie glaubt mir. Wenn dir der kalte Nordostwind durch das Hirn pfeift, spürt man, dass man lebt.

Da die Bedingungen nicht so toll waren, hegte ich keine großen Erwartungen an die kommende Nacht. Die vielen Reiherenten auf meinem Spot sorgten ebenfalls dafür. Für mich ist wichtig, die freie Zeit am Wasser zu nutzen, zu beobachten, zu genießen, zu entspannen. Ich fühle mich dann im Gleichgewicht und sammle Energie für die kommenden Aufgaben.

Ich montierte also meine Ruten, brachte sie gegen Nachmittag aus und setzte mich auf meinen Stuhl, um mein Buch weiterzulesen. Ich pflege viele Rituale am Wasser die mir helfen runterzukommen und die Hektik zu vertreiben.

Grüner Tee als Ritual

So zum Beispiel koche ich mir erst einen grünen Tee bevor ich anfange meine Ruten vorzubereiten, in aller Ruhe, sehr achtsam und konzentriert wird alles nochmals kontrolliert. Sind die Haken scharf, weißt die Schnur Schwachstellen auf, usw. Ich bekomme in der Regel nicht viele Bisse hier, aber wenn, dann muss alles passen.

Ich vergaß die Zeit beim Lesen des Buches und im Handumdrehen wurde es dunkel. Mein Hund Duke schlief schon ganz entspannt auf der Liege und schnarchte leise vor sich hin. Irgendwann legte ich das Buch beiseite und schlief ein. Viel Schlaf bekam ich während der ganzen Nacht nicht, da die Enten die ganze Zeit über einen Riesenlärm machten und der Hund ist nachts in der Natur ohnehin etwas unruhiger. Auch der Bissanzeiger piepte mehrmals in der Nacht, weil die Enten immer noch auf dem Spot mein Futter fraßen.

Gegen vier Uhr gab es einen längeren Pieper, der mich dazu veranlasste, meinen warmen Schlafsack zu verlassen. Als ich bei der Rute stand, war wieder alles ruhig. Als ich mich gerade wieder hinlegen wollte, gab es wieder einen langen Piepton. Scheiß Enten, dachte ich, nahm trotzdem die Rute auf und spürte gleich einen schweren Widerstand.

Gestatten: Mathilda

Der Drill verlief ziemlich unspektakulär. Aber als ich das Keschernetz aus dem Wasser heben wollte machte es Knack in meinem Rücken. Das war ich wohl doch nicht mehr gewohnt. Ich konnte in der Dunkelheit nur erahnen, was da unten im Kescher lag. Ich konnte noch nicht mal laut jubeln weil mir der Rücken so schmerzte.

Egal - Fisch versorgt und die Jungs nachts aus dem Bett geholt. Mir wollte noch immer nicht in den Kopf, wie sich dieser große Fisch trotz der vielen Enten am Spot den 15er Poppi am Chod-Rig reingezogen hat. Er muss trotz der vielen Attacken noch immer fängig zwischen dem Kraut gestanden haben.

Vom Ehrenkodex und alten Tugenden

Morgens kurz nach dem Hell werden, waren meine Freunde Jens, Daniel und Rene da, um Fotos zu machen und sich mit mir über den tollen Fisch zu freuen. Wir waren uns einig: Es war das Phantom, das wir so lange ehrfürchtig beobachtet hatten. Wir nannten den Fisch Mathilda.

Ich komme mir manchmal vor, wie ein Angler aus einer alten Zeit, wo es noch wichtig war, regelmäßig in der Natur zu sein, den Wechsel der Jahreszeiten zu beobachten und sich über Kleinigkeiten zu erfreuen.

Ich werde manchmal etwas traurig, wenn ich merke wie die Karpfenangler der neuen Generation mit der Natur und miteinander umgehen und unsere Angelei als selbstverständlich halten. Für mich ist das Angeln, sowie die Kameradschaft mit meinen Freunden, nach wie vor ein wertvolles Geschenk.

Wir sind alle nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen und sollten uns deshalb nicht so wichtig nehmen. Ich möchte damit nur sagen, dass es auch anders geht. Ohne Gier, ohne Neid, ohne Hektik, einfach entschleunigt. Aber für sein Denken und Handeln ist jeder Mensch selbst verantwortlich.

Ich schätze die Leute sehr, die sich für eine gesunde Angelei einsetzen und gemeinsam an einem Strang ziehen.

Liebe Grüße euer Micha

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Nash Marc and Alan