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Deine Story / 14.04.2016

SONNENJÄGER - eine Story von Luca Mack

Kein Feuer kann sich mit dem Sonnenschein eines Wintertages messen, dies schrieb der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau.

Auf der Suche nach ihr

Mit diesem Zitat im Hinterkopf sitze ich frühmorgens hier und arbeite an dieser Geschichte aus dem Leben eines leidenschaftlichen Karpfenanglers. Richtig auf das Schreiben konzentrieren kann ich mich jedoch nicht. Immer wieder fällt mein Blick auf die alte Uhr, die sich neben meiner halbleeren Kaffeetasse befindet, parallel dazu öffne ich im Minutentakt die Wetter-App auf meinem Smartphone und analysiere erwartungsvoll, wann sie denn nun endlich kommt. Sie müsste doch schon längst da sein! Was mache ich, falls sie sich aller Voraussicht nach doch nicht zeigen wird?

Mit diesen Sorgen sitze ich Jahr um Jahr zur selben Zeit mit gepackten Sachen in meinem Zimmer und mache meinen Tagesablauf davon abhängig, ob ich sie nun zu sehen bekomme oder nicht. Oft werde ich enttäuscht und versinke weiterhin in der Melancholie des schier unendlichen Winters, doch manchmal, an ganz besonderen Tagen, da sehe ich sie hinter dem großen Nadelwald aufgehen – sie, die Sonne.

Da ist sie!

Sie reißt eine Lücke in die graue Wolkendecke als würde man ein heißes Messer durch Butter führen. So auch an diesem Tag! Wie immer versuche ich keine Sekunde zu verlieren und mit meinem fertig gepackten Auto schnellstmöglich ans Wasser zu gelangen, doch auf den obligatorischen Besuch bei der örtlichen Bäckerei, konnte ich auch dieses Mal nicht verzichten.

Der Duft der Natur

Auf dem Weg zum Zielgewässer merkte ich zum erstmals in diesem Jahr die Auswirkungen der lang ersehnten Sonne und verspürte die ersten Frühlingsgefühle. Die noch vor wenigen Tagen so kahl und grau erscheinenden Felder, zeigten ihre ersten grünen Sprossen, der morgendliche Tau glitzerte auf dem saftig grünen Gras am Ufer des kleinen Baches und in der Luft lag ein herrlich erfrischender Duft nach Natur. Ich wusste es genau, ich hätte mir keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um meinen ersten Fisch dieses Jahr zu überlisten.

Zu früh gefreut

Die Vorfreude auf die bevorstehende Session und der Überschuss an Eindrücken ließen mich in eine Art Trance fallen, die erst endete als ich schließlich am See angekommen war. Es wehte ein eiskalter Ostwind und zudem waren 2/3 des Sees, darunter auch die besten Stellen, noch mit einer hauchdünnen Eisdecke bedeckt. Ernüchterung.

Doch abbrechen und wieder nach Hause fahren war keine Option, dafür hatte ich vorher zu viel Euphorie in mir erweckt. Also suchte ich mir zwei erfolgsversprechende Stellen am Nordufer, denn dort auf das Totholz und den ins Wasser hängenden Büschen sollte nicht nur den ganzen Tag die wärmende Sonne scheinen, sondern es herrschte auch absolute Windstille in diesem Abschnitt des Gewässers.

Die Locationfrage war also geklärt und über den Rest musste ich mir glücklicherweise auch nicht lange den Kopf zerbrechen, dazu hatte ich in den letzten 3 Monaten ja mehr als genug Zeit.

Die Montage? Lieber auf Nummer sicher!

Aufgrund der erhöhten Gefahr eines Abrisses an diesen heiklen Stellen, zog ich dieses Mal Tungsten Tube meinem geliebten Leadcore vor. Des Weiteren montierte ich mit klammen Fingern an beiden Ruten einen Metal Bolt Clip, der mir ermöglichen sollte den Wirbel mit einem kleinen Pin direkt im Clip zu verankern, um somit den Widerstandseffekt zu erhöhen.

Gleichzeitig zog ich den Sleeve nur minimal über den Clip, damit ich im Falle eines Hängers keine großen Schwierigkeiten gehabt hätte mein Blei zu lösen. Vervollständigt wurde die Montage durch ein Line Down Lead, welches sich hinter meinem Tungsten Tube auf der Hauptschnur befand und mir half diese vollständig bis auf den Gewässergrund abzusenken.

Somit war ich mir sicher den Scheucheffekt minimiert, den Hakeffekt jedoch optimiert zu haben. Mit zwei fertig montierten Ruten konnte ich mich nun dem Futter widmen. Seit Wochen war klar, dass ich auf einem Spot ausschließlich Dosenmais füttern wollte, um mit einem Fakebait Rig, an dem ich zwei schwimmende gelbe Plastikmaiskörner montierte, darauf zu angeln.

Bunte Mischung

Doch über die andere Rute hatte ich mir nicht wirklich viele Gedanken gemacht, also griff ich auf altbewährte Mittel zurück und tat das, was mir schon in vergangenen Jahren zum Erfolg verholfen hatte. Ich machte einen Mix aus Grundfutter, Haferflocken, Dosenmais, Kidneybohnen, Leber Liquid, Micro Pellets, gecrushten, halbierten und ganzen 15mm Boilies und Hanf.

Diesen hochattraktiven Brei beförderte ich mit 2-3 gezielten Würfen meiner Spodrute an einen umgestürzten Baum. Auf diesem Futterteppich bot ich einen in Leber Liquid gesoakten 15mm Boilie kombiniert mit einem gelben Plastikmaiskorn an einem D Rig an.

Man braucht keine jahrelange Erfahrung im Karpfenangeln zu haben, um an meiner Futtertaktik und den ausgewählten Ködern zu erkennen, dass es mir bei dieser Session eher um Quantität als um Qualität der Fische ging. Ich wollte nach der dreimonatigen Zwangspause nur einmal wieder diesen Ton des Bissanzeigers hören, der das Adrenalin innerhalb von einer Sekunde zu einem Maximum treibt. Nur einmal wieder einen Fisch über den Kescherrand gleiten lassen und mit gefrorenen Fingern aber einem Lächeln im Gesicht in die Kamera halten – das war mein Ziel.

Größe? Unwichtig!

Und dies sollte mir zum Glück auch schon nach einer knappen Stunde gelingen, als sich die Rute mit den beiden Fakemaiskörnern meldete. Zum Vorschein kam ein kleiner Schuppenkarpfen, dessen Lebensjahre man wahrscheinlich hätte an einer Hand abzählen können. Doch genau das war es, was ich nach einer so langen Abstinenz wollte – Fischkontakt, egal welche Art oder Größe. Erleichterung pur.

Die Gedanken sind frei

Nach diesem Erfolgserlebnis machte ich mir keine Gedanken mehr über meine Köder, die Montagen, das Futter oder die Location. Ich konnte mich erstmals in diesem Jahr voll und ganz auf die Natur einlassen, die mich umgab. Ich beobachtete, wie die Sonne die Wildkaninchen aus ihrem Höhlensystem lockte und zum Spielen auf der taunassen Wiese animierte. Am anderen Ufer sah ich ein Elsterpärchen, das wie jedes Jahr akribisch ihr Nest in der jungen Birke baute.

Ich erfreute mich am Liebestanz zweier Meisen und sogar die Blesshühner, die sich ein Maiskorn nach dem anderen von meinen flachen Futterplätzen einverleibten, brachten mich nicht aus der Ruhe. Zum zweiten Mal an diesem Tag beschlich mich dieses beruhigende Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Als meine Gedanken so dahin schweiften, riss mich ein Dauerton aus meiner Tagträumerei. Die andere Rute, mit dem 15mm Boilie und einem gelben Maiskorn bestückt, meldete sich erstmals. Ein Spiegler war in meine Falle getappt. Auch nicht sehr kapital, jedoch größer als die Fische mit denen ich rechnete. Nach dem Entfernen des Hakens aus seinem Mundwinkel, dem Vernichten einiger Blutegel und einem kurzen Fotoshooting durfte er dann auch schon wieder schwimmen.

Bonusfisch gefällig?

Der restliche Tag plätscherte so dahin und bis auf ein paar Aktionen auf der Fake-Mais-Rute tat sich nicht mehr viel. Die Sonne schob sich immer weiter gen Horizont und ich wusste, dass mir vielleicht nur noch eine Stunde Tageslicht verblieb. Ich blickte aufs Wasser und bemerkte, dass die Eisdecke sich über den Tag hinweg immer weiter zurückgezogen hatte und nun sogar eine sehr erfolgsversprechende Stelle freigelegt war.

 Also entschloss ich mich kurzerhand die Boilie-Rute einzukurbeln und einen weißen 16mm Pop Up zu montieren. Anschließend kramte ich einen PVA Beutel aus meiner Tasche, den ich nicht nur mit Hanf und Micro Pellets, sondern auch mit meiner Montage und dem Rig befüllte. Dieses kompakte Wurfgeschoss sollte mir im letzten Sonnenlicht noch einen Bonusfisch beschaffen.

Mit dem letzten Licht

Und was soll ich sagen, mein Gefühl behielt ein weiteres Mal Recht. Auf das steife Pop-Up-Rig, welches ich aus einem 6er Katja Haken und dem extrem abriebfesten Mussel Care Skin Vorfachmaterial aus dem Hause Mika Products gebunden hatte, fiel nach kurzer Zeit ein Fisch herein. Während die letzten Sonnenstrahlen dieses magischen Tages meinen Rücken erwärmten, drillte ich diesen Schuppenkarpfen, wohlwissend, dass er um einiges größer sein wird als die Vorherigen.

Als sich der Zeiger der Waage dann über die 20 Pfund Marke drehte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich hatte aus einem Altarm des Mains in letzter Minute noch eine wahre Perle herausgezaubert. Schmäher würden diesen Fisch ebenfalls als Satzer bezeichnen, doch in meiner Region und in diesen Gewässern darf man sich sehr wohl über solche Fische freuen. Vor allem zu dieser Jahreszeit.

Während die Sonne langsam unterging, begutachtete ich meinen Fang und mir fiel auf, dass er extrem ausgeprägte Lippen hatte. Wunderschön!

Ein Blick zurück

Nachdem er wieder in sein Element gelassen wurde, fing ich an meinen Kram zusammen zu packen. Während ich dies tat, fiel mir auf, dass die Sonne schon längst hinter den Hügeln verschwunden war und ich einen atemberaubenden Sonnenuntergang verpasst hatte. Doch die Bilder auf meiner Kamera entschädigten mich für dieses verpasste Naturspektakel.

Und bevor eine widerliche Kälte die Wärme des Tages verdrängte und mich an die noch herrschende Jahreszeit erinnern wollte, saß ich schon wieder in meinem Auto und reflektierte die Eindrücke des vergangenen Tages.
Wiedermal hatte mir die Wintersonne einige schöne Momente beschert und wiedermal dachte ich über die Worte Thoreau’s nach, gewillt diese Geschichte zu Ende zu schreiben.

Luca Mack

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Florian Woldt fängt den Fisch seines Lebens.