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Interview / 10.10.2014

Christian Gross im großen Interview: Scale macht zu!

Seit einiger Zeit hört man in der Szene Gerüchte über die Zukunft des Bekleidungslabels scale. Aus den Reihen von scale hört man hingegen nur noch wenig. Jetzt ist Firmeninhaber Christian Gross auf uns zugekommen, um uns in einem Interview Rede und Antwort zu stehen.
 

1. Carpzilla: Hey Christian, schön dass du dir Zeit genommen hast, uns Rede und Antwort zu stehen. Vielleicht willst du unseren Lesern erst einmal ein kurzes Update über die aktuelle Situation im Hause scale geben?

Christian Groß: Zuerst einmal auch von meiner Seite einen herzlichen Gruß an die Redaktion und alle User von Carpzilla. Die Aufgabe die mir heute zuteil wird, ist keine leichte und doch habe ich das Gefühl, ich bin es unseren treuen Kunden und Fans des Labels schuldig, Klartext zu sprechen. Um es kurz zu machen, wir werden die Marke scale zum Ende dieses Jahres einstellen.
 

2. Carpzilla: Wow ok, was genau waren die Gründe, die zur Entscheidung geführt haben, scale zu beenden?

Christian Groß: Seit über zwei Jahren haben wir im Hintergrund einen Markenrechtsstreit mit einem amerikanischen Unternehmen und dessen Marke „Escales“ geführt. Dieser Prozess hat mit über 15.000 € nicht nur Unmengen Geld gekostet, sondern auch Nerven und Arbeit. Schlussendlich hat „Escales“ gewonnen und somit erwirkt, dass wir den Namen scale auf europäischer Ebene nicht halten konnten. Der ein oder andere von euch wird sich nun fragen, was hat „Escales“ mit „scale“ zu tun? Auch wir haben uns das lange gefragt, doch wenn man sich intensiv mit dem internationalen Markenrecht auseinandersetzt, ist diese Entscheidung des europäischen Markenrechtsamtes in Alicante durchaus nachzuvollziehen. Nach dieser Entscheidung gab es unsererseits Überlegungen die Marke scale unter dem Namen „Fullyscale“ neu aufzubauen. Doch, und an dieser Stelle möchte ich ehrlich sein, fehlte mir dazu letztlich die Kraft, das Herzblut und die Ausdauer.
 

3. Carpzilla: Das bedeutet, dass Du Dich geschäftlich komplett aus der Angelbranche zurückziehst?

Christian Gross: Viele werden es vielleicht nicht wissen, doch scale ist aus einem Zufall heraus entstanden. Ich habe nie geplant ein Bekleidungslabel für Angler zu gründen. Immer schon wollte ich Psychologie studieren und als Therapeut arbeiten. Diesen Traum habe ich mir nach meiner Schullaufbahn erfüllt. Bis heute, und auch während scale, habe ich diesen Job nie aufgegeben. Es gibt mir sehr viel, Menschen in schwierigen Lebenslagen zu helfen. Mein Job erfüllt mich und ich habe mich demzufolge entschieden, diesen wieder in Vollzeit auszuüben. Ich hoffe der ein oder andere kann diese Entscheidung nachvollziehen. Ich bereue keineswegs scale gemacht zu haben, doch ich glaube, es gibt bessere Manager als mich. Es gibt viele coole Leute in der Szene mit vielen coolen Ideen. Es gibt unglaublich kreative Köpfe wie Alex, Marco oder Jan-Simon zum Beispiel, die maßgeblich an der Idee zu scale beteiligt waren und ihr das Gesicht gaben, dass so viele Angler liebten. Jungs, die sich nie großartig in die Öffentlichkeit gedrängt haben und den Erfolg von scale still und heimlich genossen haben. Auch wenn der ein oder andere jetzt traurig ist, ich bin mir sicher, es wird Neues entstehen.
 

4. Carpzilla: Wie können wir uns einen solchen Prozess vorstellen? Wie lange wart ihr mit der betreffenden Marke im Streit und worum ging es in diesem Prozess genau?

Christian Gross: Wie bereits oben erwähnt erstreckte sich der Prozess über etwa zwei Jahre. In solchen Prozessen geht es kurz gesagt meist um die Verwechslungsgefahr von Marken. Schaut man bei scale und Escales genau hin, so wird man feststellen, dass unser Markenname in „Escales“ vorkommt. E-scale-s. Hier besteht eine sogenannte „phonetische Ähnlichkeit“, was letztlich auch zur Entscheidung des Markenrechtsamtes geführt hat. Genaue Details erspare ich mir an dieser Stelle. Generell kann man aber sagen, dass solche Prozesse nervenaufreibend sind, viel Kopfkino mit sich bringen, viel Geld kosten und sich in der Regel über einen langen Zeitraum erstrecken. Zudem ist man ständig mit „Fachgesimpel“ konfrontiert, von dem man häufig nur die Hälfte versteht… ;-)
 

5. Carpzilla: Wie war es für euch, die ganze Zeit mit dieser Ungewissheit weiter zu agieren?

Christian Gross: Naja sagen wir mal so, irgendwo hat man das immer im Hinterkopf, doch haben wir stets versucht mit einer gewissen Professionalität weiter zu agieren. Ich denke im Rückblick haben wir das ganz gut gemeistert. Der Punkt an dem dann Klarheit herrschte, war dennoch, ein Schlag ins Genick! Man darf hier nicht vergessen, dass wir einfach auch unheimlich viel Geld und Mühe in den Aufbau von scale gesteckt haben. Ganz zu schweigen von den Kosten rund um den Prozess. Natürlich tut ein solches Urteil dann erstmal weh!
 

6. Carpzilla: Ab wann war klar, dass der Prozess nicht zu euren Gunsten ausgehen würde? Welche Konsequenzen haben sich daraus für euch abgezeichnet?

Christian Gross: Die Entscheidung kam wie gesagt im Frühjahr (Mai) diesen Jahres. Die Konsequenzen sind erst mal gar nicht so verehrend, wie man vielleicht denken mag. Laut dem Urteil haben wir lediglich den europäischen Schutz unserer Marke bezüglich der Klasse 25 (Bekleidung) verloren. Da wir die Marke für mehrere Klassen angemeldet haben, sind wir jedoch weiterhin eine europäisch eingetragene Marke. Bereits vorher hatten wir uns zudem den deutschen Markenschutz gesichert. Theoretisch hätte die Marke „Escales“ eine Unterlassungsklage stellen können, was jedoch nicht passiert ist. Es ist anzunehmen, dass es den Amerikanern lediglich um die Alleinstellung ihrer Marke im Bereich Bekleidung ging. Sprich letztlich hätten wir, wohlgemerkt ohne europäischen Markenschutz im Bereich Bekleidung, weitermachen können. Auf das opperative Geschäft (sprich den normalen Geschäftsablauf) hätte es keine Auswirkungen gehabt. Allerdings besteht natürlich ein gewisses zukünftiges Risiko bezüglich weiterer Markenrechtsstreitigkeiten, sofern man keinen Markenrechtsschutz in seinem Hauptgeschäftsbereich genießt.
 

 7. Was verbindest Du rückblickend mit scale?

Christian Gross: An dieser Stelle möchte ich nochmal kurz ein bisschen ausholen. Blicke ich heute zurück auf scale, so bleiben für mich neben den negativen Ereignissen auch viele positive Aspekte. Ich habe durch scale sehr viel dazugelernt, vielleicht bin ich mir selbst sogar etwas näher gekommen und habe einiges über mich gelernt. Ganz sicher sogar! Was aber noch viel wichtiger ist, ich habe viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, habe neue Freundschaften geschlossen und einige Jahre mit einem Team an meiner Seite gearbeitet, dass besser nicht hätte sein können. Ich bin unglaublich stolz darauf, mit den Jungs zusammengearbeitet zu haben und noch viel mehr bin ich stolz darauf, dass diese Jungs sich für mich und die Marke den Arsch aufgerissen haben. Sorry aber das muss ich jetzt so mal sagen! Es ist ein wirklich gutes Gefühl wenn man merkt, dass Menschen so hinter einem stehen! Diese Jungs waren für mich keine Teamangler mit Drang nach Aufmerksamkeit, es waren Freunde, die sich für eine gemeinsame Sache eingesetzt haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir stolz sein dürfen, auf das was scale in den letzten Jahren war und erreicht hat. Wir haben etwas geschaffen, was den Zahn der Zeit getroffen hat. Vielleicht haben wir ein Bisschen dazu beigetragen, dass mehr junge Menschen zu diesem tollen Hobby finden, dafür einststehen und uns allen zukünftig eine Lobby bieten, mit der wir das Image des Tierquälers umkehren können. Es wäre uns allen zu wünschen wie ich finde.
 

8. Carpzilla: Was ist nun euer Plan bis zum endgültigen Ende von scale zum 31.12.2014?

Christian Gross: Bis zum 31.12.2014 wollen wir nun all denjenigen, die sich mit scale identifizieren können, die Möglichkeit bieten, sich ein letztes Andenken an die Marke zu sichern. Die verbleibenden Warenbestände werden von uns bis zum Ende des Jahres extrem reduziert zum Verkauf stehen. Auch hier möchte ich ehrlich sein, natürlich ist es auch in unserem Interesse die Warenbestände zu verkaufen, doch ist diese letzte Aktion unsererseits auch ein Dankeschön an die Treue unserer Kunden. Zu diesen Preisen wird man derartig hochwertige Kleidung und speziell Funktionskleidung wohl nie wieder kaufen können.
 

 9. Carpzilla: Apropos hochwertige Funktionsbekleidung, was passiert in Garantiefällen? Bleibt die Garantie auch weiterhin bestehen, obwohl scale dann nicht mehr exisitiert?

Christian Gross: Ja, natürlich! Jegliche Garantie, die wir auf unsere Bekleidung bieten, besteht auch weiterhin. Ich persönlich werde mich in kommenden Jahren um jede Reklamation eines jeden Kunden kümmern. Wir haben dies bis dato immer und einwandfrei auf unsere Kosten getan, und werden dies auch in Zukunft tun. Wir wollen unserer Pflicht hier nachkommen. Das ist ein Versprechen! Es besteht also auch für Besitzer unserer Funktionskleidung kein Grund zur Sorge. Unsere Herstellerkontakte bestehen auch in Zukunft.
 

10. Carpzilla: Ihr besitzt ja weiterhin das deutsche und auch in Teilen das europäische Markenrecht von scale sowie die Marke an sich und die dazugehörigen Plattformen wie Facebook und die eigene Homepage. Gibt es die Option die Marke zu verkaufen?

Christian Gross: Grundsätzlich gibt es die Option. Wir hatten in der Vergangenheit auch bereits Kaufanfragen, haben diese zum jeweiligen Zeitpunkt aber abgelehnt. Natürlich auch, weil der Prozess noch im Gange war und ich sicher niemandem eine Marke verkaufen wollte, deren Zukunft noch ungewiss ist. Allerdings stand zu besagten Zeitpunkten ein Verkauf auch für uns noch außer Frage.
 

11. Carpzilla: Wird es in Zukunft weitere, neue Projekte von euch geben? Werdet ihr vielleicht sogar unter der Marke scale neue Wege gehen oder unter einem anderen Markennamen Kleidung produzieren?

Christian Gross: Diese Frage kann ich aktuell leider nur schwer beantworten. Wie oben bereits erwähnt liebe ich meinen Job als Therapeut und werde diesen in Zukunft wieder mit Engagement ausüben wollen. Was mein eigenes Angeln angeht, so habe ich auch in jüngster Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass mir das Angeln an sich, fern ab von all dem Szenerummel wieder mehr Spaß bereitet. Ich gehe wieder mehr für mich angeln, genieße die Natur und habe Spaß an meinem Hobby. Das war in den letzten Jahren nicht immer so. Ich habe mittlerweile wieder das Gefühl der kleine Junge zu sein, den alles da draußen am Wasser fasziniert. Ein tolles Gefühl! Ich habe einiges an Druck hinter mir gelassen und möchte diesen auch in Zukunft nicht erneut aufbauen. Dennoch fühle ich mich dem Karpfenangeln und auch der Szene verbunden. Ich stehe für dieses Hobby ein und würde mir wünschen, dass wir alle mehr an einem Strang ziehen. Ich würde mir wünschen, dass das Bild von Karpfenanglern in Zukunft ein besseres wird. Ich denke aus der Zeit mit scale habe ich gute Kontakte, die vielleicht dem ein oder anderen helfen können. Ich selbst plane nicht erneut etwas selbstständiges zu machen, doch bin ich bereit, wo immer ich es als sinnvoll erachte, zu helfen wenn neue junge Ideen entstehen, von denen ich glaube, sie könnten helfen unserer Image aufzupolieren. Unsere Facebookpage bleibt genauso wie unsere Homepage bestehen und ich könnte mir vorstellen, diese für eben solche Projekte zu verwenden. Konkrete Pläne gibt es aber derzeit nicht! Ich sehe die Sache aktuell sehr gelassen.
 

Carpzilla: Christian, wir bedanken uns bei Dir für das Interview und wünschen Dir viel Erfolg!

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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