Interview
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01.04.2013
Pierre und der spektakuläre Spiegler
Pierre-Michel Lehe und Björn Brandt aus dem Avid-Team waren schon im März in Italien unterwegs. Während bei uns in Deutschland noch dicke Eisschichten Angeln unmöglich machten, fingen die beiden ein paar traumhaft schöne und auch dicke Fische. Pierre konnte seinen größten Spiegler landen, einen spektakulären, langen Mirror mit 26,7 Kilo – was für ein Saisonstart! Bei facebook hat das Bild des Fisches schon für Furore gesorgt. Doch mehr zur Session erfahrt Ihr natürlich bei Carpzilla! Christopher Paschmanns hat Pierre interviewt. Viel Spaß mit diesen Zeilen und den tollen Aufnahmen: Christopher: Gratuliere zu diesem inspirierenden Fisch, ein wirklich spektakulärer Spiegler! Doch er war ja nicht der einzige Fisch Eures Italien-Trips. Gib uns doch mal ein paar Eckdaten zur Tour. Wie lange wart Ihr im Süden und wie viele Gewässer habt Ihr beangelt? Pierre: Hey Christopher! Danke erst mal für die Einladung. Euer neues Projekt Carpzilla besteht in meinen Augen aus sehr viel Wertschätzung für Fische, aber auch anderen Anglern, daher steht Ihr für das Angeln miteinander und das kann ich nur gutheißen. Gerne beantworte ich dir ein paar Fragen. Geplant hatten wir 3 Wochen in Italien zu bleiben und mehrere Gewässer zu beangeln, welche wir schon im Vorjahr ausfindig gemacht hatten. Da ich als Kind schon mit meinem Vater zum Angeln nach Italien gefahren bin haben wir in der Zeit sehr viele Italiener kennengelernt. Mit der Zeit wollten Björn und ich aber neue Wege einschlagen und so beschlossen wir, nach neuen Gewässern Ausschau zu halten. Wir brachen unsere jetzige Session in der dritten Woche ab, da es 4 Tage durchgehend im Wechsel regnete und schneite. Wir waren auf dieses Wetter nicht vorbereitet, daher hatten wir nach 3 Tagen nichts mehr zum anziehen. Teilweise hatten wir so schlechtes Wetter, das wir zwei Nächte hintereinander nicht wirklich angeln konnten. Gewässer haben wir 3 Stück beangelt, davon 2 große Naturseen und einen kleineren Baggersee auf einer Farm. Geplant waren 5, die anderen beiden stehen somit noch für die kommende Session an. Christopher: Und wie waren die Bedingungen – Luft- und Wassertemperatur? Von Frühling konnte man dort auch nicht wirklich sprechen, oder? Pierre: Angekommen sind wir in Italien bei ca. 20 C in der Sonne, das Wetter war wirklich traumhaft. Allerdings hielt sich das Wetter so nur für gerade mal 2 Tage. Danach wurde es nachts bis zu – 4 Grad und tagsüber gerade mal 5 Grad mit Wolken und Regen. Durch meine italienischen Freunde erfuhren wir, dass das Wetter vorher 3 Wochen warm und sonnig war. Somit hatte sich das Wasser schon relativ gut aufgewärmt. Die Wassertemperatur fiel an der Oberfläche innerhalb von 2 Tagen von 11 auf 6 Grad. Christopher: Wie seid Ihr denn da vorgegangen? Pierre: Erst einmal waren wir sehr enttäuscht darüber, allerdings verglich ich die Situation irgendwann einfach wie mit der Angelei im Herbst nur mit weniger Futter. Da die von uns beangelten Gewässer sehr flach sind beangelte ich jetzt die tiefsten Bereiche des Sees in der Mitte auf 3 Metern an einem unter Wasser liegenden Baum. Da in dieser Tiefe das Weißfischvorkommen um einiges weniger war, entschloss ich mich sehr wenig Futter zu benutzen. Wenn das Wasser kalt ist und die Fische sich sehr langsam bewegen, sollte man meiner Meinung nach sehr vorsichtig mit der Menge des Futters umgehen. Ich liebe es, mit einer Hand voll Boilies zu angeln, so habe ich alles immer unter Kontrolle sozusagen. An dem Baum fütterte ich fünf zerkrümelte und fünf ganze Boilies links daneben. Bei den einheimischen Karpfenanglern fiel mir auf, das alle sehr lange Vorfächer benutzen und ausschließlich mit Pop Ups angelten, da das Gewässer sehr verschlammt ist. Meine Montage platzierte ich mit einem sinkenden Boilie-Krümel rechts vom Baum am sehr kurzen Vorfach. Der Köder sollte durchaus im Schlamm liegen. Ich fischte 2 Ruten mit Boilies und eine mit einer kleinen Salami. Björn fischte dagegen mit relativ viel Futter und großen Schneemännern in den Seerosenfeldern. Unsere Angelei ist sehr unterschiedlich, das ist gerade an neuen Gewässern und allgemein im Ausland für uns sehr nützlich. Oftmals versteift man sich zu sehr auf seine eigenen Ideen. Christopher: Kanntest Du das Gewässer und den Bestand bereits? Pierre: Vor ein paar Jahren lernten wir Andrea kennen, einen Karpfenangler, dieser zeigte uns nach etlichem guten Italienischen Essen und Wein ein altes Foto mit einem 32kg Karpfen. Es gibt gerade mal eine Hand großer Fische dort welche sich auf eine ziemlich große Wasserfläche verteilen. Christopher: Wie war der Drill mit dem langen Spiegler? Pierre: Der Spot an dem ich den Fisch fing lag gerade mal 5 Meter vor meinen Füssen und brachte mir vorher 4 Tage lang keinen Fisch. Ich setzte keinen Marker und fischte mitten in Algen. Die sonst beangelten Spots aller Angler dort liegen zwischen 450 und 600 Meter in Seerosen. Ich ließ die Rute trotzdem liegen - naja echtes Schicksal. Ich verteilte dort jeden Tag fünf Boilie-Ketten mit jeweils 3 x 20mm Boilies, welche ich auf Spaghettis aufstach. Das letzte Mal hatte ich 2005 mit dieser Taktik in Italien geangelt und auch einen tollen Fisch gefangen. Damals benutze ich allerdings kleine Stöcke, auf die Nudeln brachte mich mein Freund Tobias Steinbrück. Der Fisch biss morgens gegen 7 Uhr... Björn und ich diskutierten gerade wieder über unsere Mc Donalds-Theorie beim Angeln, als die Rute nach 4 Tagen das erste mal lospfiff. Als ich die Rute aufnahm, schauten Björn und ich uns schon seltsam an, wir beide wussten es irgendwie. Die nächsten 10 Minuten passierte eigentlich nichts Spektakuläres außer das wir dem Fisch ca. 50 Meter am Ufer runter durch die Algen folgten... Druck aufbauen wäre in dieser Situation verheerend gewesen. Irgendwann kam der Fisch dann kurz hoch. Man sah ihm an, er hatte noch ohne Ende Power. Björn reagierte verdammt schnell und steckte den Kescher tief ins Wasser und zu unserem Glück schwomm der Fisch einfach selber in den Kescher hinein. Naja, im nächsten Moment fielen wir beide Arm in Arm fast aus dem Boot - das kann sich ja jeder vorstellen. Zurück am Ufer gab es dann lauten Beifall unserer Italienischen Freunde, da waren wir echt stolz - einfach ein toller Moment. Christopher: Was ging noch, den Bildern nach zu urteilen war es ja mit dem großen Spiegler noch nicht vorbei?! Pierre: Björn und ich angelten Lauf auf Lauf, am Ende hatten wir glaube ich jeder 12 Fischen. Plus zwei Meterhechte. Ich fing gleichzeitig meinen größten Spiegelkarpfen mit 26,7 kg, aber auch meinen größten Fully Scale seit Gran Canaria. Christopher: Du fährst oft nach Italien, oder? Warum dieses Land und warum nicht Frankreich im Frühling? Pierre: Das ist sehr einfach. Ich liebe die Mentalität der Italiener und außerdem hast du auch viel weniger Angler dort. Naja, eben Einheimische und das ist etwas anderes als viele Karpfenangler an einem Gewässer, die ihren Urlaub dort verbringen und anderen Anglern das Leben schwer machen, weil sie so heiß und gierig darauf sind, Fisch zu fangen. Die Italiener sind sehr gelassen, respektvoll und ruhig. Sie helfen dir dabei, ein besserer Mensch zu sein. Wenn fünf Angler am See sitzen isst keiner für sich alleine sein Essen. Selbst wenn sie sich nicht untereinander sehr gut kennen treffen sie sich Mittags und jeder isst von dem anderen etwas und es wird gefachsimpelt. Natürlich nicht alle aber viele haben einfach ein sehr gutes Herz. Außerdem liebst du doch Kaffee, der schmeckt dort unglaublich gut. Christopher: Das stimmt, ich war noch nie dort. Das werde ich definitiv bald ändern! Du hast Deinen eigenen Stil und gehst eigene Wege, das verdeutlichen Deine Texte und Fotos. Uns gefällt das sehr gut! Gibt es denn Angler außerhalb Deines Freundeskreises, die Dich inspirieren? Pierre: Ich glaube, dass sich einfach viel zu viele Leute heutzutage durch ihren Konsum zu sehr steuern lassen. Mir geht es nicht darum, die besten Angelsachen zu haben oder den dicksten Fisch zu fangen. Oft bekomme ich über Facebook Nachrichten von Jugendlichen die sich Angelruten für über 200 Euro kaufen wollen. Das sind 600 Euro für ein Dreier-Set-Ruten. Die Leute sollten dieses Geld lieber für einen Trip ins Ausland nutzen, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln und Leute kennen zu lernen. Ich glaube, dass der Wert des Angelns sich sehr stark ins Negative verändert. Ich liebe einfach das Angeln und alles darum. Wenn ich viel Zeit am Wasser verbringen kann bin ich glücklich. Ich habe in meiner Vergangenheit viele Leute kennen gelernt die mich beim Angeln, sowie aber auch in meiner Person sehr beeinflusst haben. Hier nur mal ein paar davon: James (UK) Er zeigte mir, das selbst ein Maiskorn an der richtigen Stelle mehr fängt als jeder Wunder-Boilie mit teuren Ruten an der falschen Stelle. Außerdem brachte er mir das richtige Dippen von Keksen im Tee bei. Martin (UK): Er fing am St. Johns Lake in England neben mir 4 Fische in einer Nacht auf Bifi. Ich plättete mit ihm in 24 Stunden 5 Liter Tee. Chris und ich fingen in 2 Wochen dort einen Karpfen und waren zu der Zeit damit gut bedient. Daniel (Holland): Daniel traf ich am Lac de Salagou er kommt jedes Jahr für 3 Monate an den See und lebt aus seinem Auto. Das erste Mal war ich 2003 am Salagou. Seine simplen Ideen beim Angeln werde ich nie vergessen und seine Köder waren gefährlicher als jeder Golfball… Trotzdem nahm ich seine Pop Ups als Geschenk dankbar an. Jedes Mal wenn er seine große Zigarette rauchte, erzählte er mir wie wichtig es sei wie ein Karpfen zu denken - haha. Andrea (Italien): Andrea lernte ich auf unserer ersten Entdeckungstour durch Italien kennen. Er erzählte mir damals mit Händen und Füssen von seiner Begegnung mit Rod Hutchinson 1996 auf einer Karpfenmesse in Italien. Er fischt heute noch den gleichen Boiliemix. Von ihm lernte ich das simple Angeln in mitten von Kraut und Algen. Francesco (Italien): Francesco ist 30 Jahre alt. Für mich ist er eine der bedeutsamsten Begegnungen die ich je in meinem Angelleben gemacht habe. Im Sommer jobt Francesco 3 Monate lang in Rimini in einem Restaurant. In der Zeit verdient er 4000 Euro und wohnt zu Hause bei seinen Eltern, wo er seine Freizeit damit verbringt, Boilies zu rollen. Die restliche Zeit ist er zum Angeln unterwegs. Seine letzte Session am Pusiano ging 2 Monate… Ende April treffen wir uns wieder zum Angeln dort….:) Er sammelte die restlichen Stückchen Bleikerne vom splicen beim Leadcore von einem Bekannten und benutze sie auf seinem Vorfach als kleine Absenker. Meine Freunde gehören natürlich auch zu den Leuten, die mich immer inspirieren werden. Es gibt wahrscheinlich noch viele solcher Begegnungen in meinem Angelleben doch alle haben eins gemeinsam, sie haben mir gezeigt, wie einfach und simpel Angeln sein kann und das die Zeit und der Erfolg zu zweit am Wasser wichtiger ist als jeder dicke Fisch. Ein guter Angler kann man nur sein, wenn man seine Fehler eingesteht. Leute die glauben besser als andere zu sein, werden schnell an ihre Grenzen stoßen und verlernen zu lernen. Ich wünsch euch schöne Ostern mit eurer Familie. Christopher: Wahre Worte Pierre! Vielen Dank für das Interview und lass es weiter so krachen dieses Jahr! Dieses Interview fand am 31. März 2013 statt.