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19.09.2019
Christian Scheller: Mein Sommer am Mittellandkanal
Christian Scheller aus dem deutschen Pro Line Team verbrachte seinen Sommer an einer der zahlreichen Wasserstraßen der Republik. Keine leichte Aufgabe, gewiss, doch Christian ging sogar noch einen Schritt weiter und versuchte sich am längsten Kanal Deutschlands – dem Mittellandkanal! Wenig Angeldruck ist dort zwar vorprogrammiert, doch Stellenwahl, Futtermenge und Strategie müssen besonders gut überlegt sein und das als Familienvater von drei Kindern – lest selbst…Kanalangeln ein langwieriger Prozess, doch auf die Schuppis ist verlassNachdem ich im Frühjahr zum dritten Mal Vater wurde, begann ich Mitte Juni meinen, im Frühjahr, ausgekundschafteten Platz unter Futter zusetzen. Am Kanal weiß ich aus über 20 Jahren Erfahrung, dass mit einer Handvoll Futter nichts zu bewegen ist. Mais mit Weizen gemischt, Tigernüsse und Boilies sollten am Anfang zum Einsatz kommen. Ich wollte lieber weniger Fischmehlköder verwenden und setzte primär auf den NuTrition Boilie aus dem Hause Pro Line. Vereinzelt fanden auch einige Activator Boilies den Weg in meinen Futtereimer. Nachdem ich meinen Platz über zwei Wochen hinweg unter Futter gestellt hatte, schickte mich meine Frau raus zum Angeln. Sie sagte, dass sie mir ansieht, dass ich es nicht mehr aushalte. Ihren Segen hatte ich also! So ein Futterplatz am Kanal gleicht dennoch einem Glücksspiel. Von Schleuse zu Schleuse sind es über 70km. Drei Kanalabzweigungen, einige Industriehäfen, Marinas und Yachthäfen geben den Fischen viele Möglichkeiten, sich zu verteilen. Die ersten zwei Sessions brachten einige Schuppis der unteren Mittelklasse. Ich war erstmal zufrieden und fing nach über einem halben Jahr ohne Angeln endlich wieder Fisch. Unteranderem gleich bei der ersten Session einen wunderschönen gezeichneten Schuppi!Ohne Partikel kam der erste BlankNach den ersten zwei Sessions mit den Schuppis war mein Partikelvorrat leer und ich wollte nur noch auf Tigernüsse und Boilies setzen. Ich fütterte die nächsten Male also ohne Partikel. Bei der anstehenden Session bekam ich keinen einzigen Biss. Kein Fisch zeigte sich. Nicht mal Alande waren zu beobachten. Der Einsatz ohne Partikel machte sich also bemerkbar. Einen Blank hatte ich mir eingefahren und das bei diesem Futtereinsatz und Zeitaufwand. Deprimiert machte ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zur Arbeit. Der Luftdruck war mit 1020hpa noch in Ordnung. Zwar erhöht, aber noch nicht zu hoch. Tagsüber auf der Arbeit kam Unzufriedenheit in mir auf. Ich hatte einfach das Gefühl, dass der Aufwand nicht im Verhältnis zum Fangergebnis stand. Auf dem Heimweg vom Job hielt ich am Raiffeisenmarkt und holte mir erstmal einen Sack Mais. Die nächsten Male fand dann wieder eine ganze Ladung Mais den Weg ins Nass. Ob Mais und Weizen einen erneuten Blank abwenden würden?Vollmondphase ist Bigfish-Phase! Denkste! Nach dem Blank ist vor der nächsten Session und so stand der Vollmond vor der Tür! Ich wollte eine Nacht vor dem Vollmond am Kanal sein und weitere danach. Zu Hause lief alles gut und meine Frau schickte mich schon förmlich eine zweite Nacht zum Fischen. Okay... das mache ich nur wenn die Queen mir eine zweite Nacht schenkt, das muss ich dann einfach ausnutzen. Bei perfekten Bedingungen kam ich am Wasser an. Alle Parameter standen auf Fang! Ich fuhr noch direkt von der Arbeit zum Kanal, um noch den Nachmittag und Abend mitzunehmen. Nichts passierte und als ich mich gegen 22.00 Uhr in meinen Bus legte, fraß mich der Frust bereits langsam auf. Ich zweifelte an der ganzen Aktion hier. Lohnt sich der Aufwand? Ja! Kurze Zeit später fing ich dann einen dieser Schuppis. Nach diesem Erfolg fand ich nicht mehr in den Schlaf und guckte bis zwei Uhr in der Nacht Angelfilme auf Youtube. Zwischendurch döste ich immer mal wieder weg, aber die Unruhe war auf jeden Fall in mir. Um kurz nach 5.00 Uhr kam dann ein ersehnter Vollrun. Ein kräftiger Fisch hatte die Spundwandrute mit einem 15mm Nutrition Boilie und einer Tigernuss oben drauf, die ich in Liquid Bait Booster gesoakt hatte, genommen. Im Drill konnte ich einen Spiegler erkennen! Der erste bessere Fisch der ganzen Kanalaktion war am Band und ich konnte ihn auch sicher in den Kescher bringen. Ein mittlerer Dreißiger war ja schon mal was, aber es war Vollmond... Nur halb zufrieden fuhr ich zur Arbeit. Am Ende der Woche kehrte ich zurück an den Kanal, um nach dem Vollmond zu fischen. Die Nacht brachte zwei Fische, einen Spiegler in der Mitte der Zwanzigerklasse und einen Schuppi von Ende zwanzig Pfund. Ich war erstmal zufrieden, aber die Reflektion der Gesamtsituation sagt mir, dass etwas nicht stimmte. Zwei Nächte mit perfekten Bedingungen brauchte ich, um halbwegs nach meinen Geschmack zu fangen.Hochdruckphase und Ostwind sorgt für BeißflauteInzwischen waren Sommerferien und meine große Tochter wollte bei der nächsten Session mitkommen. Gesagt getan und so machten wir uns zusammen auf den Weg an den Kanal. Gemeinsam machten wir die Ruten und das Stahlbivvy startklar. Wie immer beobachtete ich den Kanal und wieder lag er wie tot vor mir. Kein Fisch war in beide Richtungen am Horizont zu sehen. Ein Blick auf das Smartphone und die Wetter-App sagten 1022hpa mit Ostwind in einer Hochdruckphase. Kurz vor der Dämmerung brodelte urplötzlich das Wasser. Kleine Spiegelkarpfen zeigten sich wie Piranhas, die sich über ein Stück Fleisch hermachen. Kurze Zeit später hält meine Tochter einen dieser Spiegler in den Armen, wenig später gleich den zweiten! So wie sie aber gekommen waren verschwanden sie auch wieder zügig. Nichts passierte mehr bis zum Morgen. Auf dem Weg zur Arbeit setzte ich meine Tochter zu Hause ab und kam ausgeschlafen in der Firma an. So wollte ich das definitiv nicht! Mein Bauchgefühl sagte mir: "Ich bekomme den Platz nicht richtig ins Laufen." Was also tun?Ein Platzwechsel für das Bauchgefühl!Die nächste Session brachte wieder nur einen kleinen Schuppi am Morgen. Ich fütterte permanent weiter und das waren die Ergebnisse? Ich war richtig angefressen! Nachdem ich den Fisch nach den Bestimmungen des Gesetzgebers versorgt hatte, telefonierte ich mit meiner Frau und danach mit meinem besten Kumpel. Beide überzeugten mich nicht weiter an diesem Platz festzuhalten, sondern meinen zweiten Platz anzufahren um dort mein Futter in den Kanal zu werfen. Gesagt und getan, denn schlimmer hätte es nicht mehr werden können. Ich war echt frustriert. Ich machte mich drei Mal die Woche Abends auf den Weg zum Füttern, lies meine Frau für ein paar Stunden zurück mit drei Kindern. Dazu kamen die Nächte, die ich fischte, die vielen Kilometer mit dem Auto und das ganze Futter. Ich musste was ändern, damit ich mir selbst gegenüber diesem Aufwand etwas rechtfertigen konnte.Bonusfisch im Gepäck! Der neue Platz läuft an!Inzwischen war es schon Anfang August und nach ein paar holprigen Futteraktionen mit vergessener Futterkelle oder dem Eimer mit Tigernüssen, der auf dem Parkplatz vergessen wurde, fing ich überraschend gut. Eine Serie von kleinen Fischen kam bei der ersten Session. Trotz dessen war ich erstmal zufrieden! Nach neun Runs in der ersten Nacht hatte ich noch eine zweite. Meine Frau wollte, dass ich noch eine ran hänge. Das ließ ich mir nicht nehmen! Selten habe ich 36 Stunden am Stück am Kanal gefischt. Meist kommt man Abends an, wenn die Schifffahrt langsam zum Ruhen kommt und Morgens ist dann auch meist zeitig Schluss. Nun blieb ich sitzen und stellte noch in der ersten Nacht um auf 25mm Boilies mit Tigernüssen on Top sowie auf einen Schneeman mit Flouro Pop Ups von Proline. Danach kam nur noch ein Fisch und es war komplett Ruhe. Am Abend kam mein bester Freund Matze vorbei. Eine Runde Chillen mit Angelpalaver und dann passierte es: Gegen 02:00 Uhr bekam ich eine Vollrun, ich merkte recht schnell, dass mein Gegenüber Gewicht zum Einsatz brachte. Matze konnte dann etwas später die Maschen des Faith G-Easy Carp Net um den Fisch schließen. Ich fing gleich an zu tanzen vor Freude. Da war er, der Bonusfisch für Mühe und harte Arbeit! Er war das bis dahin größte Exemplar, welches ich in 21 Jahren am Kanal fangen konnte. Die folgenden Tage zogen wie im Flug an mir vorbei. Familie, Job, Füttern fahren - alles lief wie von selbst. Am Freitag der Woche war ich wieder am Kanal. Es blieb relativ ruhig, aber erneut durfte ich einen Bonusfisch abschöpfen! Die Freude war riesig!Niedriger Luftdruck und Vollmond, doch leider musste ich blanken...Beste Bedingungen die schon tagelang vor dem Vollmond herrschten, doch nichts beißt. Eine Erklärung habe ich keine. Meine Vorfreude war riesig und die Vorbereitung noch akribischer als sonst. Machen kann man nichts, die Fische waren nicht da. Einige Kilometer weiter, den Kanl entlang, konnte ein Freund zur selben Zeit Fische fangen.Nach den Blanks zum Vollmond gab ich der Stelle Ruhe. Futter brachte ich regelmäßig ein, aber die Familie stand erstmal im Vordergrund. Nach der kleinen Familienpause machte ich zu Beginn der letzten Augustwoche wieder eine Nacht. Ein Schuppi der Mittelklasse fand den Weg in meinen Kescher! Die Motivation sank in mir und mein Mindset stimmte nicht mehr. Langsam kamen schon wieder Zweifel. Mache ich es noch richtig? Füttere ich zu viel, zu wenig oder ist alles ok? Die Fische nutzten die 70km Strecke, um wo anders nach Futter zu suchen, redete ich auf mir ein. Innerlich war der Beschluss dann aber gefallen, eine Nacht noch und dann ist Schluss. Am kommenden Wochenende sollte die letzte Nacht für mich anstehen! Meine große Tochter begleitete mich erneut und zwei Schuppis konnte ich noch fangen. Einer hatte etwas von einem Ghost-Schuppi. Das war doch ein Zeichen! Mit einem Beauty gestartet – mit einem Beauty geendet.Ende gut alles gut!?Der Anfang war holprig und ich trug Frust in mir, den auch meine Familie spürte. Kinder haben eine Antenne für sowas und spüren, das Papa nicht zufrieden ist. Ich habe auf meine Frau gehört und nicht an meiner ersten Stelle geklebt. Danke mein Schatz! Ich bin konsequent zwölf Wochen jeden zweiten Abend Füttern gefahren. Es war förmlich ein durchangeln, so viele kleine und mittlere Fische wie in diesem Jahr habe ich in 21 Jahren zuvor nie gefangen. Ich habe meinen lang ersehnten “Dicken“ gefangen, um danach erneut so zu fangen, wie die ersten Wochen. Alles mit einem Baby, einem Kleinkind und einer 9-Jährigen Tochter zu Hause, die eine Menge Kraft erfordern. Alles in einer Lebensphase, in der die Familie Kraft und viel Aufmerksamkeit benötigt. Ich bin stolz auf mich und gehe mit viel Zuversicht in den Herbst.Bleibt hart am Fisch!Euer Chris Scheller